Emulsion – Filmrezension
Kurzinhalt: Ronny Maze (Sam Heughan) verliert in einer Tiefgarage seine geliebte Frau Isabelle unter mysteriösen Umständen. Von diesem Zeitpunkt an übernimmt er einen Job in der Tiefgarage als Wächter, damit er nach Hinweisen suchen kann. Eines Tages findet er Isabelle wieder, doch diese ist von Grund auf verändert …
Was wie ein spannender Psychothriller beginnt, endet als surrealistischer Film im modernen Noir-Stil. Filmregisseur Suki Singh erscheint hier wie eine „Emulsion“ aus David Lynch und Alfred Hitchcock.
Noir-Filme finden im heutigen Kommerz leider kaum noch Publikum. Man spricht vom Wohlfühl- und Popcornkino. Der Noir-Film ist keines von beidem, denn das Setting ist sozial-kühl, zwielichtig, der Held ist anfällig, oft schwach, die Atmosphäre dunkel, unterschwellig erotisch und eine Prämisse scheint es nicht zu geben …
So ist auch Emulsion düster und reserviert, optisch sehr eindrucksvoll und symbolisch aufgeladen. Z. B. der rote Schal, das rote Telefon, die Tiefgarage … Die Gefühlswelt von Ronny Maze, seine starke Liebe und verzweifelte Suche nach seiner Frau Isabelle, ist ebenfalls groß und beinahe lebendig. Man spürt seinen Verlust und seine Schuldgefühle … Überall ist Sehnsucht …
Ronny Maze gibt nicht auf. Von allen Seiten bekommt er Hinweise, doch alles scheint rätselhaft, märchenhaft, unwirklich … Jemand erzählt eine Geschichte, und die Geschichte wiederum offenbart eine weitere Ebene innerhalb seiner Existenz und Suche. Alles will tiefer verstanden werden. Viel, viel tiefer. Nichts ergibt Sinn. Alles ergibt Sinn.
Als er Isabelle schließlich findet, ist diese denkbar verwandelt. Sie liebt Ronny Maze nicht mehr und schickt ihn zum „Mann im Wald“, der ihrer Meinung nach für alles verantwortlich ist. Als er diesen Mann findet, findet er zugleich den Knotenpunkt seiner brüchigen Realität, das Epizentrum, mit dem alles verbunden ist …
Endlich, möchte man denken, endlich klärt sich alles auf, doch tatsächlich eröffnet sich genau jetzt eine weitere Ebene. Der Mann im Wald ähnelt dem Showhypnotiseur Cavaliere Cipolla aus Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“, jedoch ohne faschistoide Interpretation. Spätestens jetzt wird der an den Mainstream adaptierte Zuseher die Flinte ins Korn werfen wollen, doch spätestens jetzt enthüllt sich ein großes Drama: Der Psychiater/Hypnotiseur scheint außerhalb dieser Welt zu stehen, ein Wesen, das an den Fäden der Menschen zieht, an ihren Gefühlen, Glaubenssätzen, Einstellungen, Erinnerungen … Wie ein Puppenspieler lässt er Menschen „auftreten“ und miteinander interagieren, alles ist ein großes Schauspiel, Gefühle sind nur „Programmierungen“, die man nach Belieben installieren, löschen und neu programmieren kann …
Hier stürzt eine kalte Weltsicht so ziemlich ins Bodenlose. Das Leid von Ronny Maze – ein Witz? All sein Suchen, Streben, Sehnen … Nichts als eine Leerlaufhandlung?
Nun versteht sich der Satz „Last night I had a dream. I dreamt, that somebody love me.“ als hypnotische Eingabe, wie ein mit Enter bestätigter Datensatz.
Den Schluss möchte ich nicht verraten, doch hier hält Suki Singh eine weitere, durchaus interessante Überraschung bereit.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Dieser Film ist nicht nur ein großer Tanz um die Frage „Was ist Identität“, sondern lässt die Realität wie ein Gebilde erscheinen, dem das menschliche Bewusstsein stets nur hinterhinken kann.
Mein Fazit: Emulsion ist ein großartiger Film in klassischer Noir-Tradition, dem ich gerne 5 von 5 Sternen gebe. Geeignet für alle, die auch mal einen Blick „auf die Seite“ werfen wollen, und zwar auf die „andere Seite“.
Hinweis: Der Film im Original mit Untertitel kann mit Klick auf das Cover bestellt/gestreamt werden.
Genre: Thriller
Regie: Suki Singh
Hauptdarsteller: Sam Heughan, Claudia Bassols, David Ajala, Mem Ferda
Nebendarsteller: Lex Sharpnel, Chris R Wright
Studio: White Lantern Film / Hot Lemonade Films
Untertitel: Englisch
Laufzeit:1 Stunde, 36 Minuten
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