Wenn du etwas für mich tun willst, dann puste sanft den Staub von meiner Seele wie von einem frisch geborgenen Schatz. Ich lag zu lange begraben unter Schichten von Sand und unzählige Schritte gingen achtlos über mich hinweg, sie wussten nicht, was sie mit Füßen traten, hätten sie sonst diesen Weg genommen?
Die Schwerkraft meines Herzens hat mich hinuntergezogen in den Untergrund der Welt, wo das Licht seltsam gedimmt ist und die Seufzer hohl klingen und ein geschundenes Ich mich auffordert, ihm zu folgen. Es verkehrt eine Metro hier unten, die mich von einer Angst-Station zur nächsten befördert. Und überall wartet eine aufgekratzte Menge mit einem warmen Willkommen, bekannte Gesichter, die mich schon lange verfolgen, sie lächeln verschlagen als wollten sie sagen: höchste Zeit, dass du dich hier mal sehen lässt.
Sei behutsam, wenn du mich in deinen Händen hältst, ich – war lange weg und erinnere mich kaum an Berührungen: verschwommen ist der feine Unterschied zwischen Schmerz und Lust.
Am ehesten ertrage ich – deine geschlossenen Lippen, dieses warme weiche Verweilen auf mir.
Ich habe die Welt so sehr geliebt, bevor ich in ihr verloren verging, aus Wunder ist Wüste geworden. Aber keine tröstlich karge Wüste, mehr eine Verwüstung meiner Wünsche, wie eine üppige Hure, bei der nicht nur die Lust gespielt ist und grelle Fingernägel die nackte Haut erschrecken.
Wenn du etwas für mich tun willst, dann sei einsam, damit ich deine Aufrichtigkeit erkennen kann. Wenn du nicht einsam sein kannst, werden wir uns nie begegnen können, wir werden uns verfehlen, denn nur die Einsamen haben gemeinsame Orte. Es ist ein großes Flüchten um uns herum und alle rennen durcheinander mit Schritten, die größer sind, als die Ziele, die sie zu erreichen suchen.
Es ist die Schwerkraft des Herzens, die uns zurückhält, winzige Insekten in einer endlosen Einkaufsstraße, aus der es kein Entrinnen gibt, und wenn von Liebe die Rede ist, ist Geliebtwerden gemeint, das Haben und Behalten anstelle des Loslassens.
Die Kunst des Fliegens besteht darin, richtig zu fallen, das ist einfach wie jedes Mysterium – nur die Befreiung von Geschichte schreibt Gegenwart.
Ich kehre nicht zurück, um erneut in den Staub zu fallen. Ich kehre zurück, um zu fliegen. Mit meinen Flügeln, nicht mit deinen, keine Sorge. Du musst nur den schweren Staub von meiner Seele pusten, mich ein wenig erleichtern um den unnötigen Ballast meiner Geschichte.
Dann werde ich dir die Hand reichen und wir können das Fliegen feiern. Ich werde dich nicht festhalten müssen, denn auch du kannst fliegen ohne fremde Hilfe.
Wir werden uns umkreisen und uns dabei näher sein, als je in einer Umklammerung. Wir werden loslassen und die Welt wird uns umarmen.
Autor: Thomas Zippel, freier Texter und Autor. Thomas Zippel wurde in Berlin geboren und beschult. Sein Studium der evangelischen Theologie und Philosophie bestritt er größtenteils in Tübingen, wo er schließlich, von den großen Fragen entkräftet, sesshaft wurde. 2014 veröffentlichte er seinen ersten Roman Spiel’s noch einmal, Gott, eine Religionssatire, über die der Autor sagt: „Dieses Buch ist so etwas wie eine späte Antwort auf den Kommentar eines Prüfers unter meiner theologischen Examensarbeit, der da lautete: Dieser Mann darf nie auf eine Kanzel gelangen!“
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