Über Narzissmus und narzisstische Gewalt wird im deutschsprachigen Raum seit ca. 2010/2011 intensiv(er) berichtet. Namhafte Referenten/Autoren (*innen) des Themas sind u. a. die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki (geb. 1952), der Neurowissenschaftler Raphael Bonelli (geb. 1968) sowie der Psychiater Reinhard Haller (geb. 1951).
Im angelsächsischen Sprachraum – Großbritannien, USA, Kanada und Australien – ist das Thema schon länger präsent. Hier zu nennen sind u. a. der US-amerikanische Psychiater österreichischer Herkunft Otto Kernberg (geb. 1928), der US-amerikanische Psychoanalytiker österreichischer Herkunft Heinz Kohut (1913 – 1981) sowie der Publizist Sam Vaknin (geb. 1961). Letzterer betreibt einen thematisch sehr umfassenden Youtube-Kanal zum Thema NPS, narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Doch auch Opfer von narzisstischem Missbrauch gründeten innerhalb der weltweiten Selbsthilfebewegung insbesondere in Social Media wie Youtube und Facebook Aufklärungsseiten und Gruppen.
Narzissmus: Ein männliches Phänomen?
Forschungen der Berliner Charite decken sich mit der Schätzung von Sam Vaknin, dass Narzissmus überwiegend Männer betrifft: 75 Prozent der Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind männlich, 25 Prozent weiblich. Geht die Berliner Charite davon aus, dass ca. 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung betroffen sind, geht Sam Vaknin davon aus, dass es ca. 5 Prozent sind. (Linkverweise untenstehend.)
Kennzeichen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-5
DSM-5: Klassifikationssystem der American Psychiatric Association
- Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z. B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).
- Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.
- Glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.
- Verlangt nach übermäßiger Bewunderung.
- Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen).
- Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d. h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen).
- Zeigt einen Mangel an Empathie: Ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
- Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie.
- Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.
Quelle: zitiert nach Wikipedia
Der narzisstische Kreislauf und das Leiden der Opfer
Mehr und mehr an die Öffentlichkeit rückt das große Leiden der Opfer im narzisstischen Missbrauch, insbesondere jenes, das in Mann-Frau-Beziehungen stattfindet. In diesen Beziehungen führt der narzisstische Kreislauf von Lovebombing, Idealisierung, Destabilisierung/Entwertung, Gran Finale zusammen mit den narzisstischen Praktiken wie Hoovering, Gaslighting, Triangulation, Psychoterror mit Flying Monkeys, zu großen seelischen, emotionalen und teils physischen Verletzungen. Dieser Kreislauf kann sich über Jahre hindurch ereignen. (Anm.: Die englischen Begriffe entsprechen der populären Psychologie und können von jedem nachgelesen werden.)
Narzisstische Zufuhr verlangt jedoch nicht nur Aufmerksamkeit und Bewunderung, sondern kann sich auch auf die finanziellen und materiellen Ressourcen des Partners erstrecken.
Bezeichnend ist, dass ein Narzisst auf eine gewisse Weise empathielos ist, was auch in Forschungen nachgewiesen wurde. Prof. Dr. med. Stefan Röpke, tätig an der Berliner Charite, fand heraus, dass gewisse Hirnstrukturen, die für empathisches Empfinden zuständig sind, bei Narzissten anders aussehen als bei normal empathischen Menschen. (Linkverweis untenstehend.)
Aus diesem Grund tritt der Narzisst ausschließlich mit Eigeninteresse an Beziehungen heran. Das Gegenüber ist die Verlängerung des eigenen Selbstes und wird i. d. R. weder in Privat- noch in Geschäftsbeziehungen als fühlendes, menschliches Wesen betrachtet, sondern mittels „kalter Empathie“ auf auszubeutende Ressourcen, wie z. B. sexuelle Qualitäten, karrierefördernde Eigenschaften, Obdach, Liquidität usw., hin geprüft. Ein Kontakt, sei es in Privat- oder Geschäftsbeziehungen, ist für einen Menschen mit NPS (Narzisstischer Persönlichkeitsstörung) umso wichtiger, je mehr der Kontakt der aktuellen Bedürfnislage des Narzissten entspricht. Der Narzisst kann also durchaus nett, charmant und zugewandt sein, doch nur, wenn er etwas will. In der Lovebombing-Phase in Partnerschaften zeigt der Narzisst also kein echtes Interesse am Partner, sondern inszeniert ein manipulatives Spektakel, um sich die Ressourcen des Partners dauerhaft verfügbar zu machen.
Narzisstische Zufuhr kann sich jedoch auch aus der Erniedrigung des Partners/Opfers speisen, die sich nicht nur verbal, sondern auch durch Handlungen, ausdrücken kann. Z. B. gefällt sich die sexuelle Untreue des Narzissten nicht nur im Tun, nicht nur in der Selbstbestätigung, sondern auch darin, dass der Lebens- oder Ehepartner tunlichst davon erfährt. Die Lust am physischen oder emotionalen Quälen anderer entspricht u. a. dem Tun des klassischen Internet-Rambos, des Trolls, der sich nur dann wohlfühlt, wenn er sein Lulz (englischer Begriff, zu deutsch: Gelächter auf Kosten eines anderen) bekommt.
Bleibt die Reaktion des Opfers im Internet aus, fühlt sich der Troll betrogen; ebenso ergeht es dem Narzissten in einer Beziehung, wenn sein Partner/seine Partnerin auf die bewusst inszenierte Quälerei weder eifersüchtig noch gekränkt reagiert. Da Partner und Partnerinnen von Narzissten jedoch häufig emotional abhängig sind, gehen die Kränkungen tief, was wiederum der narzisstischen Zufuhr dient.
Tendenzen zum Sadismus, der Lust am Quälen, werden hier evident, und diese können sich in leichter oder schwerer Form auf allen Ebenen, emotional, seelisch, verbal und tätlich ausdrücken. Der Partner/die Partnerin wird als zu benutzendes Objekt betrachtet, jedoch nicht als fühlendes, zu respektierendes Wesen. Sollte das Objekt, wodurch auch immer, als Zufuhrquelle versiegen oder schlichtweg langweilig werden, sucht sich der Narzisst eine andere Quelle.
Innerhalb der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung gibt es Mischformen mit Borderlinern, Histrionikern, Soziopathen und Psychopathen. Auch wird zwischen zerebralen und somatischen Narzissten unterschieden. Der maligne Narzisst wiederum steht dem Gemeinen, Niederträchtigen näher und neigt stärker, als der „gewöhnliche“ Narzisst, zum Sadismus und zur Gewalt.
Bewusstseinswandel: Neue Gesetze durch öffentlichen Druck
Im Gegensatz zu körperlicher Misshandlung hinterlässt narzisstischer Missbrauch keine oder kaum Spuren am Körper. Narzisstische Misshandlung, in Form von seelischer, finanzieller, menschlicher, emotionaler, körperlicher, sexueller Ausbeutung, ist bisweilen unsichtbar und/oder schwer zu beweisen. Die Auswirkungen auf das Opfer sind jedoch gravierend.
Einer der Gründe, warum emotionaler Missbrauch (noch) unbemerkt bleibt, ist, dass es keine Gesetze gibt. (Stand: Jänner 2019).
Die erste Möglichkeit, narzisstischen Missbrauch zu beenden, besteht demnach darin, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schärfen und Menschen darüber zu informieren, woran man pathologische/antisoziale Menschen erkennt und wie man sie meidet.
So wurde z. B. in den USA im Jahr 2016 der 1. Juni zum „World Narcissistic Abuse Awareness Day“, zu deutsch Welt-Narzissmus-Missbrauchs-Bewusstseins-Tag, als Gedenktag für alle Opfer des narzisstischen Missbrauchs festgelegt.
Im Artikel Die wichtigsten Lebenshilfebücher für Frauen habe ich u. a. auch dieses Thema aufgegriffen und eine Leseliste erstellt. Diese Buchempfehlungen seien hier zur Wissensverbreitung, Selbsthilfe und Prophylaxe nochmals wiedergegeben und ergänzt.
Buchempfehlungen
Beatrice Poschenrieder: Mr. Aussichtslos: 12 Männertypen, die sie sich sparen können
Raphael L. Bonelli: Männlicher Narzissmus: Das Drama der Liebe, die um sich selbst kreist
Monika Celik: Kaltes Herz: Narzisstischen Missbrauch überwinden
Bärbel Mechler: Von Psychopathen umgeben: Wie Sie sich erfolgreich gegen schwierige Menschen zur Wehr setzen
Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht: Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann
Bärbel Wardetzki: Und das soll Liebe sein? Wie es gelingt, sich aus einer narzisstischen Beziehung zu befreien
Hilfe für Betroffene
In Social Media wie Facebook und Youtube gibt es verschiedene Seiten, Gruppen, Kanäle zum Thema narzisstischer Missbrauch und es kann sich jeder/jede dort selbständig umsehen. Empfehlenswerter ist m. E. nach das selbständige Einlesen über oben genannte Literatur, sowie, im ernsten oder akuten Fall, die Hinzuziehung von Therapeuten und/oder Rechtsanwälten.
Du bist ein Narzisst!
Nachtrag zum Narzissmus-Begriff als Denunziationswort: Ich persönlich positioniere mich klar gegen Täterschutz und Victim-Blaming und würde neue, entsprechende Gesetzesentwürfe sowie angepasste Therapieformen sehr begrüßen. Dennoch ist nicht jeder per se ein Narzisst, nur weil er die eigenen persönlichen Bedürfnisse gerade nicht erfüllt, eine Person falsch einschätzt, sich tollpatschig oder unachtsam verhält. Auch ist andererseits nicht jeder per se ein Narzisst, der seine Grenzen wahrt und ein gesundes Selbstwertgefühl pflegt. Ich bitte daher den Narzissmus-Begriff wenn, dann dezent und in aufgeklärter Weise zu verwenden. Häufig beschuldigen übrigens Narzissten andere als Narzissten. Wer daher mal „in den Genuss kommt“, weiß Bescheid. 😉
Narzissmus aus spiritueller Sicht
Warum ist der Narzisst „böse“? Wie kommt das Böse in die Welt? Welcher Geist wirkt im Narzissten? Das erfährst du im 2. Teil zu dieser Artikelserie mit Klick auf nachfolgenden Link:
Narzissmus aus spiritueller Sicht – Teil 2
Quellen:
Gehirne von Narzissten auffällig verändert
Pressemitteilung der Charite Berlin: Veränderte Anatomie des Gehirns bei pathologischem Narzissmus
Männer sind narzisstischer: Studie zeigt klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Eitle Liebe: Beziehung zu einem Narzissten – Geschlechterverhältnis der NPS: 75 Prozent männlich, 25 Prozent weiblich
Buch: Sam Vaknin: Malignant Self-Love
Youtube-Video: Forschungen an der Berliner Charite: Narzissmus als Störung – Link
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Der Youtube-Kanal Spiritscape hat diesen Artikel laut vorgelesen. Hier reinhören!
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Hallo, ich bin Mutter eines männlichen Opfers, was noch ganz stark in der Leugnungsphase des Geschehens über den Missbrauch den die Schwiegertochter in Spe an ihm verübt, steckt.
Natürlich ist nicht jeder gleich ein Narzisst der hin und wieder einmal egoistische Züge aufweist. Auch mir ist es so ergangen, dass ich innerhalb der Beziehung, die nun seit 4 Jahren und ein paar Monaten besteht, 2 Jahre lang nur damit gelebt habe, dass ich immer wieder merken musste, dass etwas nicht stimmt. Als ich dann, als die Beziehung 2 Jahre alt war, eine ziemlich große Attacke abbekam, wurde mir deutlicher was nicht stimmte und ich bekam erstmalig (nach vielem Recherchieren) den Eindruck einer NPS.
Aber auch damals blieb ich noch ziemlich naiv. Ich hoffte immer, mich zu täuschen, ich glaubte die Situation verbessern zu können, indem ich meine Liebe gab, viele Zugeständnisse machte, über Dinge schwieg, die ich in ganz normalen Situationen hätte einfach frei sagen können, ohne das Anschuldigungen daraus entstehen usw. Leider musste ich irgendwann erkennen, dass das alles nichts brachte, im Gegenteil, Gasligthing, Vitktim blaming, Love bombing, Triangulation, Flying Monkeys etc., alles das musste ich nun sehen in der Umsetzung, die Attacken nahmen zu.
Auch die Handlungsweisen der Stabilisierung und Destabilisierung mit dem typischen Verhalten darauf von meinem Sohn. Im September 18 brach ich den Kontakt mit meiner Schwiegertochter ab, es war für mich inzwischen unerträglich. Der Kontakt zu meinem Sohn und meiner inzwischen 2 jährigen Enkeltochter besteht weiter, aber ist sehr schwierig, denn sie manipuliert ihn – ich bin natürlich die Schuldige.
Mein Sohn ist dies bezüglich sehr ambivalent, ich kann aber mit ihm nicht offen darüber sprechen, dann zieht er eine unsichtbare Mauer hoch die ich als Schutz, als Angst wahrnehme. Es ist als höre er gar nicht, was ich sage. Obwohl ich ihn bisher nur in allerkleinsten Dosierungen etwas zu meinen Erkenntnissen sagte …. ich weiß, ich kann nichts tun … aber auch ich plädiere ganz stark dafür, dass nur Aufklärung, Aufklärung und noch mal Aufklärung helfen kann. Ich selbst dokumentiere inzwischen alles, denn meinen Recherchen zufolge wird das Grand finale kommen. Ich weiß, dass mein Sohn im Falle eines Sorgerechtsstreit wenig oder sogar gar keine Möglichkeit hat zu beweisen, was an Missbrauch stattgefunden hat, und auch wie seine Tochter dem ausgesetzt ist … deshalb übernehme ich die Dokumentation dessen, was ich beobachte und es ist nach vier Jahren schon erschreckend viel, wobei ich ja nur das dokumentieren kann, was ich erlebt habe, dabei ist das, was hinter der verschlossenen Tür statt findet nicht dokumentiert. Ich kann aber viele Auswirkungen erkennen, sowohl bei meinem Sohn als auch bei meiner süßen Enkeltochter … Vielleicht wird meine Dokumentation ja auch einmal zur Aufklärung für Angehörige beitragen, aber das weiß ich heute noch nicht, zunächst schreibe ich das Erlebte vorwiegend für meinen Sohn und meiner Enkelin auf. Ich lebe in großer Sorge …
Hallo Brigitte,
herzlichen Dank für deinen Kommentar und deine Erfahrung. 🙂
Ich wünsche dir, deinem Sohn und deiner Enkeltochter alles, alles Liebe.
Lieber Gruß,
Tanja
Dankeschön
Liebe Brigitte!
Ich weiß nicht, ob Du Erfahrungen mit Systemischen Aufstellungen bzw. Familienaufstellungen hast, aber diese Methode kann helfen, schnelle Impulse zu setzen, um die Situation für Dich zu verändern. Letzten Endes ist es Dein Sohn, der sich aus dieser Situation befreien darf, wenn er es denn möchte. Aber Du kannst diese Belastung für Dich möglicherweise verändern, um die Beziehung zu Deinem Sohn zu verbessern und die Dinge besser anzunehmen, wie sie sind.
Erfahrende Therapeuten gibt es sicherlich auch in Deiner Nähe!
Liebe Grüße und alles Gute,
Meike
Es gibt mittlerweile so viele gute YouTube Kanäle, deren Inhalte weit über die Aufklärung hinausgehen. Es geht auch um die Frage, was hat der Narzisst mit mir zu tun? Für meinen narzisstischen Partner empfinde ich mittlerweile nur noch Mitgefühl, ich konnte meinen eigenen empathischen Anteil erkennen und reflektieren. Ich selber sehe mich nicht als Opfer, das wäre mir viel zu einseitig. Ich bin an meinem Narzissten in meiner gesamten Persönlichkeit gewachsen. Es gibt nun Grenzen und neue Standards, ich passe einfach gut oder noch besser auf mich auf.
Liebe Barbara,
ich danke dir herzlich für deinen Kommentar. 🙂
Ja, ich denke auch, dass eine der Konsequenzen, die man im Nachhinein aus dem Umgang mit einem Narzissten oder mit einer Narzisstin zieht, jene ist, dass man seine eigenen Grenzen, Werte, Standards gewissenhaft zu setzen und notfalls auch zu verteidigen weiß.
Lieber Gruß,
Tanja