Allerheiligen 1985: Mit langen Mänteln, Pelzhauben und gesenktem Blick standen wir da, vor dem Grab der Großeltern. Kalter Wind blies uns eine Menge Schneeflocken ins Gesicht und unter die Mäntel. Dumm, wer einen Rock trug. Über dem Friedhof lag eine graue, dichte Atmosphäre, man konnte kaum bis zum Nachbargrab sehen. Die Menschen wirkten betrübt und ernst. Die Stimme des Pfarrers kam monoton durch ein Mikrophon … So war es damals. Und seither hat sich nicht viel verändert. Schnee gibt es am 01. November meist nicht mehr. Alles andere ist gleich geblieben.
Allerheiligen. Was ist das überhaupt? Am 31. Oktober hat man Stress zwischen Tür und Angel. Süßes oder Saures! Genau. Besser, man hat nicht nur den Striezel eingekauft, den „Seel-Wecken“, sondern auch noch einen großen Sack mit Süßigkeiten, damit die Nachbar-Mütter am nächsten Tag nicht schräg gucken: „Die da hat meinem Jonas nichts gegeben!“ … Tags darauf, am 01. November, steht man am Grab und fragt sich, ob das Gesteck, das man ausgesucht hat, passend ist. Die Verwandten sollen nicht denken, man hätte gespart. Und die Kerzen sollen auch lange und schön leuchten. Danach folgt ein gemütlicher Nachmittag mit Familie und Verwandtschaft im Gasthaus. Mit oder ohne Streit. Oder Zuhause gibt es Striezel mit Kaffee. Die einen pulen die Rosinen sorgfältig raus, die anderen sind weniger genau.
Das ist gelebtes Allerheiligen. Profan, gemütlich, nervig. Kinderspektakel, Friedhofsbesuch und Verwandtschaftstreffen. Wer in diesem Karussell noch Zeit für einen stillen Moment findet, um sich zu fragen, wofür und warum er das überhaupt macht, ist mit diesem Artikel gut beraten.
Der Ursprung von Allerheiligen
Die katholische Kirche kennt aktuell ca. 7000 Heilige. Da das Jahr 365 Tage hat, müsste die Kirche 19,17 Jahre lang täglich einen Gedenktag einlegen, damit alle diese 7000 Heiligen geehrt werden können. Dies ist schwer zu bewerkstelligen. Aus diesem Grund wurde der 01. November zum Gedenktag aller Heiligen, zu Allerheiligen.
Das heißt, dass der Friedhofsbesuch mit den Toten primär nichts zu tun hat, denn am 01. November, zu Allerheiligen, wird der Heiligen gedacht, wie z. B. Johannes vom Kreuz, Franz Jägerstätter, Franz von Assisi, Edith Stein usw. – um nur einige zu nennen.
Zu Allerseelen jedoch, dem Tag, der auf Allerheiligen folgt, wird der Toten gedacht. Da Allerseelen, der 02. November, aber kein gesetzlicher Feiertag ist, fällt der Friedhofsbesuch auf Allerheiligen, auf den 01. November, da an diesem Tag alle Katholiken frei haben. Ja, ein etwas kompliziertes Konstrukt von Kirche und Staat, das eben anders nicht gelebt werden kann.
Und wie kommt jetzt Halloween dazu?
All Hallow’s Evening ist ein irischer Brauch, der vermutlich aus dem keltischen Samhain Fest hervorgegangen ist. Dieser Brauch wurde in Irland schon am Vortag zu Allerheiligen gelebt. Am 31. Oktober. Das keltische Jahr endet am 31. Okt. und beginnt am 01. November mit dem Samhain-Fest. Hallow’s Evening wurde mit der Zeit zu Halloween. Und diesen Brauch brachten die Iren mit der Auswanderungswelle, 18. u. 19. Jh., nach Amerika und von dort kam er wieder zurück nach Europa.
Die Kelten lebten in der Annahme, dass am 31. Oktober die Pforten zur Anderen Welt offen waren, sodass die Jenseitswesen, Götter und Verstorbene, zu ihnen kommen konnten und ihnen grausame Streiche spielten, die die Druiden magisch abzuwehren wussten.
Der 31. Oktober markierte nach keltischem Verständnis das Ende des Sommers. Die lichtvolle Zeit wich der dunklen Zeit, und so galt diese „Wende-Zeit“ als sehr unheilbringend. Die Kelten erwarteten das Unheimliche, Gespenstische – die Seelen der Toten – nachgerade überall. Daher war es an Samhain wichtig, die Seelen der Unterwelt zu begütigen.
Cromm Cruach war der Gott der Unterweltsonne und der Totengott der Kelten. Diesem Gott opferte man an Samhain die Erstgeborenen, denn Cromm Cruach verlieh Fruchtbarkeit und musste daher mit den „besten Früchten“ versorgt werden. Das waren die Früchte des Ackers, des Viehs und der Menschen. Bis zu zwei Drittel aller Erstgeborenen sollen Cromm Cruach in jenen Jahren geopfert worden sein, in denen es zu Missernten kam.
Kontakt zu Verstorbenen und Heiligen
Wer nun aus diesem Wissen etwas Spirituelles mitnehmen möchte, der kann, konfessionsunabhängig, sich zu Allerheiligen oder zu Allerseelen hinsetzen und eine Kerze anzünden und an liebe Verstorbene denken. Er kann mit ihnen in Gedanken sprechen oder beten. Wer darüber hinaus auch noch Heilige „ansprechen“ will, kann ebenso verfahren.
Wer weitere Inspirationen zu Heiligen braucht, die ihm persönlich beistehen können, kann sich z. B. ein Heiligenlexikon zulegen und sich inspirieren lassen. Nachfolgende Bücher können mit Klick auf das Cover angelesen/bestellt werden:
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Hallo, ein paar Gedanken zu diesem Thema!
Zum einen freut es mich sehr, dass hier endlich auch einmal der Ursprung und die Verbindungen dieses Festes hervorgehoben werden. Dank Amerika und Globalisierung ist der Kommerz als Krebsgesschwür des Kapitalismus ja schon bald nicht mehr zu ertragen, denn er nimmt uns das, unabhängig vom eigentlichen Anlass, ob Allerheiligen, Weihnachten oder Heirat, was wirklich zählt: Der Sinn !
Ich bin gerade sehr in einer Lebensphase des Umbruchs, was mein gesamtes Sein auf den Kopf stellt und ich mir die Frage stelle, warum existiere ich?
Ich muss mir selbst in die Augen sehen und frage mich, wer bist du?
Es stimmt, dass Rituale, Feste und Bräuche im Lauf der Zeit Veränderungen erfahren, wie das Leben und der Mensch selbst, doch ist die Konzentration auf den Sinn das, was wirklich zählt! Danke für diesen Beitrag, Tanja!
Hallo Tanja,
Wenns genehm ist, will ich zu diesem Artikel auch etwas ergänzen:
Das klassische (historisch keltische) Samain wurde NICHT am 31.10. gefeiert. Damals gab es noch kein Kalendarium. Die Festlegung auf diesen Tag kam erst, als der Gregorianische Kalender eingeführt wurde.
Geschichtlich war Samain immer am 10. oder 11. Neumond nach Jul (Wintersonnenwende) (wobei Jul garkein kelt. Begriff ist). Der Termin war allerdings auch nicht sooo genau, manche Stämme feierten auch am Vollmond.
Hier lohnt es sich, die Unterschiede zu betrachten, zwischen Festland- und Inselkeltischen Völkern.
Bei Festlandstämmen wurde vordergründig Ahnenkult betrieben; in allen erdenkbaren Variationen.
Das „Kürbisschnitzen“ geht zurück auf einen Brauch (der teilweise heute noch in einigen Alpenregionen zelebriert wird) dass Rüben geschnitzt wurden, teils mit „Geistgesichtern“, welche die Ahnen u.a. repräsentieren sollten, sowie die Verbindung zwischen Erde und Himmel (Reich der Lebenden und Toten), um es mal sehr vereinfacht darzulegen.
Das Papsttum hat dann Anleihen aus diesem Feiertag „geklaut“ und daraus „Allerseelen“ gebastelt; was freilich auch ein recht geschickter Schachzug war.
Heutzutage halte ICH es pers. für recht sinnig und auch wichtig, einen „Ahnentag“ auch wieder zu feiern, allerdings eben nicht im Sinne des christlichen „Alle Jammern weil sie tot sind“ Allerseelen; sondern friedlich dankend dem „Geist der Alten“ zu sinnieren, und ggf Wünsche, Segnungen usw zu erbitten.
Dies aus dem Grund, da wir heutztage bei uns in Mitteleuropa, keine Wertschätzung mehr für die Erfolge, Forschung, Arbeit uswusf unserer „Altvorderen“ haben.
Allerdings sollte es auch kein plakativer Abklatsch von „irgendwas von Annudazumal“ sein, sondern wenn, schon an unserer Zeit auch angepasst.
lg Amarok
Lieber Amarok,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Natürlich ist es genehm, wenn du dein Wissen einfließen lässt. 🙂 Und ich danke dir für die Präzisierung. In meinen Büchern wurde zwar schon der 01. Nov. genannt, aber ich bin keine Expertin für keltische Kultur und Historie. Wintersonnenwende ist allerdings am 21. oder 22. Dezember, nicht im November. Hier muss ich dir widersprechen. 🙂
Mit lieben Grüßen,
Tanja
Danke für den ausführlichen Beitrag. Das Lied ist wunderschön!!!
Liebe Ulrike,
vielen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Freut mich, dass dir das Lied gefallen hat.
Mit lieben Grüßen,
Tanja
Liebe Tanja
es begann mit einem Schmetterlings Flug -der sonderbar leicht, hüpfend und fröhlich im wenigen Sonnenlicht, suchend seine Tänze in der Luft vollführte. Sonderbar, da es da keine honigvollen Blumen zu begrapschen galt und inmitten gequälter und in Schmerzen aufgelösten Menschen, bei der Auflösung eines gemeinsamen Trauergottesdienstes stattfand. Wie das junge Leben, dass wir wieder der Erde anvertraut hatten, es bis vorhin wild und ungestüm im luftigen Auf und Ab seine Flüge in unseren Kreisen zog, bildete dieser Falter dazu die perfekte Inkarnation ab, an diesem für ihn seltsamen Ort. Unvermögen vieler und ich mit „wissendem“ Auge vermieden das ganze Unglück nicht -aber besser als der Pfarrer brachte mir dieser Fuchsschwanz Falter die frohe Botschaft von Simon sel. rüber, dass wir uns nicht zu Sorgen bräuchten und er nun glücklich von Blume zu Blume am Honig naschen könne, was er ja immer schon wollte.
Alsbald kurze Zeit später aufdringlich eine Amsel sich bei der Beerdigung meiner Mutter bemerkbar machte, war mir das bereits keine Überraschung mehr. Heute, auch nach Jahren besucht sie regelmässig unser Haus und inzwischen in Begleitung eines Amselrichs. Stolz, zufrieden und kerngesund flatiert sie nun in ihrem Eheleben umher, dass es eine Freude ist zuzugucken und wohl ihrer Wunschvorstellung entsprochen hätte.
Die Krähen die üppig versorgt wurden vom Onkel sein halbes Leben lang und manche Freundschaften mit einigen von ihnen unterhalten hatte, schmissen in den Bäumen des Friedhofes eine riessengrosse Party während der Beerdigung.
Den Mäusebussard bildete sich als Synonym aus für die Geschichten über meinen Grossvater wie er so den Überblick behält und tatsächlich von Zeit zu Zeit herkommt und sich niederlässt auf einen niederen Pfahl um sich das Geschehen aus der Nähe zu betrachten.
Zu guter Letzt hielt nach der Beerdigung meines Schwiegervaters ein bisschen verspätet aber entschuldigt weil er erst noch ausbrechen musste ein Pegan-Papagei Einzug in die Umgebung unseres Hauses. Geistreich, überlegt und nicht auf den Kopf gefallen meisterte er sein Einleben in der freien Natur -fand auf Anhieb sein Futter problemlos. Wie es auch Sepp sel. so tat in seinem Leben.
Schwieriger wurde es für den Pegan unter dem einheimischen Gefieder Freunde oder sogar Interesse zu wecken mit seinem Balzgezirpe und das Gerücht entstand im Geäste der Bäume: er sei aber arg hippiemässig unterwegs -schon nur sein Gefieder! und luden ihn wieder aus, empfahlen ihm zurückzukehren in seinen Käfig. Ja genau!
Wie es auch Sepp sel. gerne getan hätte!
Diese Tage ist auch die Zeit nahe, wo Falter, Bussarde, Krähen, Amsel sich rarer machen oder ganz in den Winter verfallen -aber bald ist jeweils wieder Frühjahr und somit hast auch wieder die ganze Verwandtschaft am Hals und sie begleiten mich dann den Sommer lang.
Tja liebe Leser -haltet eure Seele trocken und ethisch, denn noch sind Optionen frei wie Geier Sturzflug, Sing du Drossel oder Coq au vin.
Liebe Grüsse -Stedi
Lieber Stedi,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Wie immer lyrisch – und diesmal sehr passend zum Feiertag, mit leichter Melancholie …
Ich wünsche deinen Verstorbenen alles Gute.
Liebe Grüße,
Tanja