„Jede Frau, die endlich ihren Wert erkannt hat, hat ihre Koffer des Stolzes geschnappt und einen Flug in die Freiheit gebucht, welcher im Tal des Wandels landete.“ Shannon L. Alder, Autorin
Es gibt Frauen jedes Alters, die sich ihrer selbst und dem Dasein in der Welt bewusst sind. Diese Frauen fühlten vielleicht schon früh im Leben, dass die von der Gesellschaft installierten Rollen in Teilen oder gänzlich zu ihrem Nachteil geschaffen sind. Im Nachfolgenden einige Blitzlichter aus meinem Leben …
Kindheit – mit Legosteinen gepflastert …
„Tanja spielt nie in der Puppenecke“, informierte die Kindergartenpädagogin meine Mutter mit sorgenvoller Miene. Es war das Jahr 1983, als dieser Umstand, dass ich im Kindergarten anstatt mit Puppen lieber mit Knetmasse, Trommeln und Lego spielte, offenbar noch Anlass zur Besorgnis gab. Die Verschwörungskampagne von Tanten, meiner Mutter und beider Großmütter sah danach so aus, dass ich zu jedem Geburtstag Puppen bekam, mit denen ich natürlich auch nicht spielte. Weil ich Puppen nicht ablehnte, weil es Puppen waren – und ich demnach kein „richtiges“ Mädchen war, sondern aus einem völlig anderen Grund: Das Plastik fühlte sich hart an, roch künstlich und die Augenlider der Puppen klimperten unnatürlich auf und ab, was bei mir eher Horror als Entzücken weckte. Auch roch die Puppenecke im Kindergarten etwas „muffig“ und dass man eine (Horror-)Puppe nur einwickeln und sonach nur eine Weile lang tragen oder im Kinderwagen herumfahren konnte, um sie danach wieder auszuwickeln, fand ich etwas unspektakulär. An Stofftiere im Kindergarten kann ich mich nicht erinnern.
Aber Stofftiere mochte ich gerne. Sowie Regenbogen-Ponys und Lego. Stundenlang baute ich Mondbasen, Raketen, Satelliten und Erdbasen und spielte damit und expandierte und entwarf Planeten und Sphären und Galaxien. Und da offenbar jeder sah, dass ich, nur weil ich (auch) Lego liebte, doch ein ganz herziges Mädchen wurde, ließen sie mich mit den Puppen bald in Ruhe.
„Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht.“ Simone de Beauvoir (1908 – 1986), franz. Philosophin und Feministin
Ganz so leicht kam ich als etwa Zehnjährige nicht mehr davon. Als etwa zehnjähriges Mädchen fragte ich mich z. B., wieso ich mehrmals wöchentlich den Abwasch machen, Wäsche trocknen und staubsaugen sollte, wohingegen mein älterer Bruder nur seasonbedingt zum Rasenmähen oder Reifenwechseln herangezogen wurde.
Die Zeit, die ich als Mädchen ganzjährig neben der Schule für das Mithelfen im Haushalt aufwendete, überstieg die seasonbedingt aufgewendete Zeit meines Bruders für typisch männliche Arbeiten bei weitem.
Doch als ich meinen Eltern die Ungerechtigkeit darüber verkündete, hieß es lediglich: „Das ist eben so.“ Meine Großmutter tackerte mit „Darüber spricht man doch nicht!“ auch noch ein Redeverbot darauf. Also fügte ich mich und lernte, einen Haushalt zu führen, wusste aber, dass ich den Schmu im Erwachsenenalter wenn, dann nur für mich selbst weiterführen würde, gewiss aber nicht zum Nulltarif innerhalb einer Ehe, lediglich weil „es eben so ist“ und man, gemäß meiner Großmutter, darüber auch nicht sprach.
„Vom Recht über die Wissenschaft bis zur Religion werden Regeln und Erklärungen gefunden, wurden und werden Mythen kreiert, um männliche Vormachtstellungen und weibliche Benachteiligungen als Norm zu definieren.“ – Johanna Dohnal (1939 – 2010), österreichische Frauenpolitikerin, Zitat aus „Eine andere Festschrift“
Als ich mit etwa zwölf Jahren mein erstes, eigenes Zimmer bekam, lebte ich auf. Zuvor teilte ich mir zwölf Jahre lang das Zimmer mit meinem Bruder. Endlich! Endlich Feiraum, Ruhe, kein lärmendes Spiel mit Actionfiguren und Video-Games mehr, keine Raufereien mit anderen Jungs direkt vor meiner Nase, keine schmuddeligen Sexheftchen, die unvermittelt am untersten Grund der Spielzeugkiste auftauchten wie Fossilien …
Plötzlich hatte ich Raum. Ich malte, las, schrieb, übte auf der Gitarre – und ich wusste, dass ich dies immer so beibehalten wolle, und dass ein Ehekonstrukt, wie es meine Eltern lebten, in welchem meine Mutter kein eigenes Zimmer, sprichwörtlich keinen Raum für sich hatte, für mich niemals in Frage käme.
„Der Mann ist das Maß der Dinge.“ – Simone de Beauvoir (1908 – 1986), franz. Philosophin und Feministin
Als ich dreizehn war, fuhren die Jungs auf ihren 50-Kubik-Motorrädern die Mädchen aus – zumindest bis in die nächste Kneipe, wo sie im Rudel tranken, rauchten und Billard spielten, und die Mädchen mehr oder minder dekorativ daneben standen, voll des Schwärmens dem Auserkorenen gegenüber, als ob dies das Spiel, sein Spiel, günstig beeinflussen könne und dadurch die Wahrscheinlichkeit auf eine spätere Knutscherei beträchtlich stiege …
Aber mir war langweilig. Das Spiel, Billard, interessierte mich, doch als ich mir einen Billard-Queue griff, um mitzuspielen, wurde ich von den Jungs angesehen, als ob ich gerade mit einem UFO gelandet und als Alien ausgestiegen wäre. Danach erntete ich Gelächter und wurde für den Rest der Hauptschulzeit als Neutrum betrachtet.
Das war die erste Lektion in: Brich als Frau das Weibchen-Schema und du sinkst auf das Attraktivitätsniveau einer Amöbe.
Privat- und Alltags-Sexismus
Es mag in der individuellen Biographie von Frauen jedes Alters gewisse, einscheidende Erfahrungen mit Sexismus geben, die den Frauen bewusst oder weniger bewusst sind. Gut im Gedächtnis hat frau meistens den starrenden oder grapschenden Lehrer an der Schule, den aufdringlichen Chef, den Schmalzlockenromeo, der schon beim ersten Date den Kelch bis zur Neige trinken will, den Arbeitskollegen, der anzügliche E-Mails schickt, vielleicht auch den Rechtsanwalt, der meint, seine Mandantinnen schulden ihm mehr als Geld, wenn er sich für sie vor Gericht ordentlich verwenden soll …
Das ist Alltagssexismus, der nicht selten als gegeben hingenommen wird, und nicht jede Frau hinterfragt die Realität bzw. das Klima einer angeblichen Normalität.
Mit etwa 20 empfand ich die Gesellschaft alles andere als „angenehm“. Überstanden hatte ich der Reihe nach drei Jahre durchgehend anzügliche Witze in einem Arbeitsverhältnis, einen mehr als sexsüchtigen Kollegen und einen plumpen Nötigungsversuch auf einer Weihnachtsfeier. Glück gehabt, wird mir jetzt die eine oder andere Frau um die Ohren werfen, wenn man davon ausgeht, dass in Österreich jede fünfte Frau Opfer von sexualisierter Gewalt wird. (Link untenstehend.)
„Frauen haben sich die ganze lange Geschichte des Patriarchats an Gewalt gewöhnt, ja vielleicht gewöhnen müssen. Dennoch: Was heute immer noch viele Frauen ihren Söhnen entschuldigen, ihren Partnern oder Männern verzeihen und ihren Töchtern als Opferverhalten anerziehen, wirkt gegen die Unabhängigkeit und Würde von Frauen.“ – Johanna Dohnal (1939 – 2010), Auftaktmatinee anlässlich 16 Tage NEIN zu Gewalt an Frauen, 25.11.2001
Bis ich 25 geworden war, war das Weibchen-Schema, zusammen mit einer industrie-genormten Figur von 90-60-90 und einem ausgeprägten Modetick, für mich zur Camouflage geworden, die mein wahres Ich zwar gründlich zudeckte, mir im Außen aber – so dachte und erlebte ich es zunächst – gewisse Vorteile einbrachte: Männer waren (zur Körper-Attrappe) grundsätzlich freundlich(er), hörten (besser) zu und lächelten häufig(er). Im Umgang mit Kommilitonen, Professoren und Doktoren erachtete ich es als hilfreich, wenngleich die Diskrepanz darin bald offenkundig wurde: Die Aufmerksamkeit, die ich erhielt, galt meinem Äußeren und nicht einer bestimmten philosophischen oder literarischen Arbeit. Das hieß, der Kommilitone traf mich nicht, um mit mir z. B. den Existentialismus zu diskutieren, sondern aus einem Eigeninteresse heraus, das mal mehr mal weniger freundlich war … Der Professor hörte sich meine Fragen nach der Vorlesung nicht deshalb an, weil ich wichtige oder interessante Fragen stellte, sondern aus demselben Eigeninteresse …
Ein Luxusproblem?
Es mag die eher unscheinbare Frau mit männlicher Ignoranz bedacht/bestraft werden, ich hatte immerhin Zutritt, fühlte jedoch auch den schweigend angestrebten Deal darin, die wenn-dann-Bedingung: Liebe Studentin, ich widme mich gerne deiner Arbeit/deinen Ideen, wenn … Betonung lag auf wenn.
Es war mir somit im Universitätsbetrieb der natürliche Respekt und ein wertvoller Austausch nicht per se verweigert, nur eben an jene Bedingung geknüpft, die ich bald als weitere Repressalie und Unangenehmheit verbuchte …
So wich ich auf die wenigen Doktorinnen, Professorinnen aus, was sich jedoch nur solange frei und gut anfühlte, bis die Professorin zu einer Idee/Arbeit von mir eine zweite Meinung bei einem anderen Professor einholte, dieser dann mit mir in direkten Kontakt treten wollte, auf dass die so wertvolle Zeit des Gelehrten, der Kontakt zu ihm, wiederum nur unter oben benanntem Deal zustande kommen solle … (Ich räume ein, dass das nicht immer so war und diese Erfahrung nicht pauschal steht, es gab auch sehr gute, menschliche Professoren …)
Tacheles zur Körperlichkeit
Nun ist es so, dass, im Falle ich – oder eine beliebige Frau – strebte eine rein körperliche Verbindung zu einem Mann an, die Grundvoraussetzung zu dieser Verbindung jedoch in diesem Fall eine gefällige Optik des Körpers, ein gewisses Maß an Ästhetik, sein muss, dies umso mehr, wenn die Verbindung rein körperlich ist, denn wer einen Menschen aufrichtig liebt, liebt diesen auch mit etwaigen Einbußen an Sexyness … Da jedoch die Grand Seniors des Universitätsbetriebes von mir nicht geliebt wurden, noch dem entsprachen, was ich „aufregend“ nennen würde, wäre ein gemachter Deal weniger als ein fauler Kompromiss gewesen, nämlich schlicht und ergreifend ein Verlustgeschäft auf ganzer Linie: emotional, intellektuell und körperlich.
„Wenn Frauen von Männer akzeptiert werden, … dann entweder als ‚Intellekt‘ oder als ‚Möse‘, entweder als ‚Herz‘ oder als ‚Möse‘, entweder als ‚Mutter‘ oder als ‚Möse‘. Frauen werden selten als emotionale und intellektuelle und sexuelle Geschöpfe akzeptiert. Es nimmt daher kaum Wunder, dass Frauen Mühe haben, alle drei Fähigkeiten gleich zu entwickeln.“ – Phyllis Chesler (geb. 1941), amerikanische Psychologin und Autorin
Volle Bewusstheit
Mit etwa 28 Jahren war ich unter „der Camouflage“ voll bewusst geworden, wach, ernst und tat alles, um mein Leben, insbesondere in der Begegnung mit Männern, sinnvoll und bereichernd werden zu lassen. Da hier immer wieder Fragen oder Fehlinterpretationen auftauchen, sich insbesondere Frauen fragen, was ich getan und/oder unterlassen habe oder wie ich gewesen war, so kann ich es in Kürze hier so beantworten, dass es kein „magischer Kunstgriff“ war, sondern denkbar simpel: Ich habe unzählige Mal Nein gesagt. Öfter als mir lieb war, öfter als ich es wollte, und ich habe zu sehr wenigen Männern aus tiefsten Herzen Ja gesagt.
Mittlerweile über Ruth Bader Ginsburg, Simone de Beauvoir, Johanna Dohnal, Edith Stein und Hedwig Dohm bestens darüber informiert, warum mir die Gesellschaft so unangenehm und teils repressiv erschien, war ich weniger ideologisiert, noch zur passiven Feministin geworden, die klug genug war, sich das „Feminismus-Ding“ als Label weder in der Öffentlichkeit noch im Privaten anzuheften, sondern schlicht und ergreifend bewusst.
Ich würde jedoch auch heute noch jeder Frau raten, in jeder Lebenslage und in jeder Rolle, sei es als Mädchen, Frau, Partnerin, Ehefrau, Mutter, Großmutter, im besten und freigeistigsten Sinne feministisch zu denken und zu handeln, ohne diesen Begriff zu fanatisieren oder in jedem Satz zu erwähnen, sich im besten Fall als Freidenkerin zu positionieren. Dies ist wichtig für die eigene Entwicklung, das eigene Wohl, die eigene Unversehrtheit und den eigenen Lebenserfolg: Mich haben feministische Theorien nicht ideologisiert noch meine Weltsicht oder mein Leben limitiert, weder in der Emotionalität noch in der Liebe, sondern sensibilisiert, bereichert und aufgeweckt.
So war ich nie im Aktivismus, nie im feministischen Verbund zu anderen Frauen und einiges, was aus der Gender-Bewegung kommt, halte ich für absurd bis obsolet, aber dennoch war ich z. B. vollends darüber informiert, warum eine Frau für gewöhnlich keinen Anspruch auf ein eigenes Zimmer hegt, wenn sie in eine Lebenspartnerschaft oder Ehe eintritt, und was bis zum Zeitpunkt der Ehe im Leben einer Frau passiert sein musste, dass sie für gewöhnlich danach auch kein Bedürfnis mehr verspürt(e), ja, noch nicht einmal auf die Idee kam … So ver-leben sich viele Frauen heute noch zwischen Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer, lebens-definiert über Wohnräumlichkeiten, die Gemeinschaft prägen und fördern können, jedoch auch keinen individuellen Freiraum bieten. Selbstverständlich ver-leben sich auch Männer so, doch manchmal gibt es einen Hobbyraum, die Garage, einen Keller usw. … Finanziell freiere Paare haben möglicherweise ein Arbeits- oder Musikzimmer. Fragt man Frauen, was sie mit einem leer stehenden Zimmer gerne machen möchten, kommen i. d. R. schnell Ideen: ein Yoga-Zimmer, einen Meditationsraum, einen Fitnessraum, ein Malatelier oder ein Lesezimmer … Was auch immer als Idee kommt, kann, im Falle beschränkter Wohnfläche gemäß Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, im Laufe von Jahren ungelebt bleiben, was ich persönlich traurig finde.
Never wake a sleeping woman
Andere Frauen aufzuwecken gelang (mir) so gut wie nie. Die Mädchen, die im Teenageralter nicht nach dem Billard-Queue gegriffen haben, griffen auch später kaum oder nie danach, nie nach Spaß, Freiheit, Spielraum, echtem Respekt und Einfluss. Sie heirateten früh, bekamen Kinder und erlebten mehr oder weniger viel Glück, mehr oder weniger viel Ungemach …
Diese Frauen empfand ich (in jungen Jahren) wie Geisterfahrerinnen auf der Autobahn des Lebens, die mir immer dann entgegenkamen, wenn ich gerade richtig Gas gab, um dem Pferch, der Enge und dem „weil es eben so ist“ zu entkommen. Aber ich kollidierte nicht mit ihnen, stellte nie Lebensentwurf gegen Lebensentwurf, nie Konvention gegen Informiertheit, sondern konnte innerhalb des Kollektivs nur schweigen, was mir in manchem Fällen dennoch viel abverlangt hat. Oftmals bedauerte ich die eher traurigen Lebenserfahrungen anderer Frauen umso mehr, weil ich die Ursachen, die zu diesen Erfahrungen führten, u. U. präzise (strukturell) detektieren, jedoch diesen Frauen nicht ins Bewusstsein bringen konnte.
Es mag, lt. Spruchweisheit, hinter jedem starken Mann eine starke Frau stehen. Doch es steht hinter jeder starken und autarken Frau seltenst ein starker Mann, sondern ihr eigener Wille und ihre ureigenste Kraft.
„Wenn eine Frau zur Realität durchdringt, lernt sie ihren Zorn kennen, und das heißt, sie ist bereit zu handeln.“ – Mary Daly (1928 – 2010), amerikanische Philosophin und Schriftstellerin
Ein freies und von Liebe erfülltes Leben
Was ich als Kind an Unstimmigkeit oder Ungerechtigkeit aufgrund des Geschlechtes erfahren habe, z. B. mehr Hausarbeit, wenig Freiraum (kein eigens Zimmer) usw., war in mir ein Impuls geworden, dem ich fortan beständig nachgegangen bin: Muss es SO sein? Ist das SO richtig? Ist es SO gerecht? Warum ist es SO? Und kann man dazu, insofern etwas lediglich kulturell gewachsener Nonsense ist, Nein sagen?
Diese Fragen beantworteten sich mir nicht anhand anderer, neuer positiver oder negativer Lebenserfahrungen, sondern erst, als ich z. B. die juristischen Zusammenhänge über Ruth Bader Ginsburg, die politische Dimension über Johanna Dohnal usw. in Erfahrung brachte.
Dass der Feminismus öffentlich, politisch, medial oder auf Privatebene übersehen, diskreditiert, bagatellisiert, nicht verstanden, pathologisiert, nicht gelesen und nachvollzogen wird, ist angesichts globaler, historischer und kultureller Entwicklungen/Phänomene für mich unverständlich:
Die weibliche Genitalverstümmelung, das vollständige Entfernen der Klitoris, findet sich im Nordosten Afrikas und in Malaysia. Obwohl als Tradition verstanden, kann über das eigentliche Warum dieser Praxis m. E. hier aus Platzgründen nicht ausführlichst berichtet werden, wiewohl Tradition als Legitimierung hier soviel oder sowenig bedeuten mag, wie man dies im Zusammenhang mit Stierkampf oder z. B. dem Halten von Sklaven auf Baumwollplantagen im Süden Amerikas tat. Meines Wissens nach gab es dies, die Entfernung des lustbringenden Teil des Geschlechtes, global nie umgekehrt, es wurde nie jungen Buben die Gliedspitze entfernt – nicht zu verwechseln mit Beschneidung. (Die Beschneidung betrifft die Haut, nicht aber das eigentliche Geschlecht und Lustzentrum.) Es gab zwar die Kastration in der Kunst, auf dass ein Sänger, man denke an Farinelli, eine besondere Stimmfarbe erhielt, jedoch geschah dies nicht aus jenem traditionellem Selbstverständnis heraus, mit welchem Mädchen (bis heute) die Klitoris entfernt wird. Eine unbeschnittene Frau mag als ehrlos oder anrüchig gelten, der Kastrat war als solcher jedoch ein Star und unbeschnitten nicht „entehrt“, sondern lediglich ein Mann.
Das Einschnüren der Füße von jungen Mädchen war bis ins 20. Jahrhundert ein in China weit verbreiteter Brauch. Auf diese Weise entstanden etwa 10 cm große „Lotosfüße“, die bei Männern Begehrlichkeit weckten. Kleinen Mädchen wurden die Füße durch das Brechen der Knochen und anschließenden extremen Einschnüren im Wachstumsprozess dauerhaft deformiert. Dies sollte den angemessen Charakter der Frau, die kleinen Füße, einen kleinen Trippelgang ermöglichen, sowie dies als anmutig galt und ver-erotisiert worden ist. Meines Wissens nach gab es dies global nie umgekehrt, es wurden nie jungen Buben die Füße gebrochen um dem Zeitgeist und dem erotischen Geschmack von erwachsenen Frauen zu entsprechen.
Zwangsheirat von Kindern (Mädchen mit erwachsenen Männern), Steinigung von Ehebrecherinnen oder von Frauen, die vergewaltigt worden sind, das lebenslange Tragen von Schleiern. Auch dies gab es meines Wissens nach nie umgekehrt. Weder wurden/werden junge Buben mit erwachsenen Frauen verheiratet, noch werden Ehebrecher gesteinigt oder müssen Männer sich lebenslang mit Kleidung/Schleiern bedecken.
Vergewaltigung in der Ehe galt noch bis in die 80er Jahre hinein als „rechtens“. Dass eine Frau kein eigenes Bankkonto hatte, war ebenfalls lange Zeit rechtens. Meines Wissens nach gab es dies umgekehrt nicht, weder konnte die Frau innerhalb der Ehe dem Mann rechtens sexuelle Gewalt zufügen, noch durfte er kein eigenes Bankkonto haben.
Ich bin nicht der Ansicht, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes für Frauen generell richtig, stimmig und fair ist, sondern, im Gegenteil, dass die Arbeitsbelastung neben dem Haushalt und die Kinder Frauen eher zusetzt, als befreit, dies auch, wenn sie strukturell gezwungen sind, ihre Kinder in Kitas abzugeben, dennoch stellte sich dieses Problem historisch betrachtet umgekehrt nicht/nie für Männer.
Die Psychologie erklärt i. d. R. und achtloserweise die Mutter als „Tatverdächtige“, die im Umgang mit dem Kind, das im Erwachsenenleben Probleme hat, in irgendetwas zuviel/zuwenig getan hat. Das mag in der Schwangerschaft und in den ersten Monaten des Babys stimmen, doch die Frage, was der Vater im Leben des Säuglings/Kindes getan oder unterlassen hat, welche Rolle er (wirklich) spielt, stellt sich m. E. nach kaum oder zu wenig. Im achtlosen Sprachgebrauch sprechen Psychologen, Dozenten, Referenten (immer noch) und einseitigerweise von der Mutter, die ursächlich für diverse Störungen im späteren Leben des Kindes ist, was m. E. so zu undifferenziert ist. Richtiger wäre „die Eltern“.
Gesellschaftliche Stigmatisierungen, weil z. B. Klein-Paul im Kindergarten auffällig oder aggressiv ist, treffen sonach häufiger die Mutter, was sich aufgrund unhinterfragter Denk- und Sprechgewohnheiten eingeprägt haben mag und somit nachvollzogen werden kann, jedoch ebenso bewusst gemacht werden darf. Die mentale Undifferenziertheit diesbezüglich zerschellt z. B. am modernen Beziehungsleben homosexueller männlicher Paare mit adoptierten Kindern, weil es schwer sein wird, hierin bei Auffälligkeiten des Kindes eine „tatverdächtige Mutter“ zu verorten.
Es gäbe an dieser Stelle noch unzählige Beispiele mehr, die sich singulär, national oder chronologisch betrachten ließen, z. B. moderne Sklaverei, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Pornographie, das Verhältnis des männlichen Adels zur Dienstmagd, das Leben der Frauen in Indien oder im Orient, im Mittelalter, der Antike oder Jetzt, dennoch reichen (mir hier) obige Beispiele um zu zeigen, dass Feminismus, bzw. feministische Theorien, angesichts dieser Phänomene weder obsolet noch irrelevant sein kann/sein können.
Liebe und Glück
Das klassische Ehemodell zu verneinen, hieß für mich nicht zwangsläufig, den Mann zu verneinen, unweiblich oder unattraktiv zu sein. Ich habe zwei langjährige, monogame, wundervolle, zutiefst bereichernde Beziehungen zu Männern geführt, die weit über 90-60-90 hinausgesehen haben und bin diesen beiden Männern – die ich an dieser Stelle, falls sie einmal Leser sind, hiermit grüße – heute noch dankbar für ihr Sosein, für alles, was innerhalb dieser Beziehungen an Wunderbarem entstanden ist.
Es waren Männer, die ein positives, ich möchte sagen natürliches Verständnis von sich als Mann gehabt haben und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass feministische Theorien, die nicht selten auch innerhalb der Psychologie ver-pathologisiert werden, nicht per se dazu führen, dass Frauen ihre weibliche Rolle ablegen – sondern diese innerhalb dieser Theorien letztlich erst finden.
„Ich liebe den Mann als meinen Gefährten. Aber seine Herrschaft, rechtmäßig oder angemaßt, erkenne ich nicht an.“ – Mary Wollstonecraft (1759 – 1797), englische Frauenrechtlerin und Autorin
Es mag in dieser Zeit die maximale Freiheit für eine Frau u. a. darin bestehen, dass ein Mann keine Notwendigkeit ist, sondern eine Option.
Es mag in Zukunft die maximale Freiheit von Frauen u. a. darin bestehen, dass ein Mann keine Option mehr ist, sondern in jedem Fall eine Bereicherung.
„Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“ – Johanna Dohnal (1939 – 2010), Gastvortrag an der Technischen Universität Wien, WIT-Kolloquium 22. März 2004
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Ich danke noch heute meinen Eltern, die mich, Baujahr 1956, groß werden ließen, wie ich wollte……mit Legosteinen, Puppen als Flugbegleiter in Raketen, Knällerchen-Pistole ( die mich nicht agressiv werden ließ, sondern nur ein Utensil war, um mit meinen Kumpels Indianer und Cowboy zu spielen), ohne gut aussehen zu müssen.
Es ist wohl die Einstellung der Eltern, die uns prägt.
Liebe Ulla,
lieben Dank für deinen Kommentar. 🙂
Ja, klingt nach befreiter Kindheit. Freut mich sehr.
Lieber Gruß,
Tanja
„nur ein Utensil um Indianer und Cowboy zu spielen“ … kopfschüttel …
Liebe Tanja,
ich habe deine Schilderungen mit großem Interesse (und einer gewissen Bestürzung) gelesen, denn sie hält mir – als einem Vertreter des Geschlechts – einen Spiegel vor, der sich mit meinem Alltagsbeobachtungen leider nur allzu oft deckt, und von dem ich mich auch nicht zu 100% freisprechen kann… so leid es mir tut, und auch wenn ich mir Mühe geben einen Tick besser zu sein, aber das Muster sitzt tief drin. Ich will das Thema aber einfach mal von der anderen Seite aus schildern, vielleicht ergänzt das deine Sicht:
Ich bin als Kind mit 2 Seiten geboren worden: eine davon unabhängig, willensstark, rational und bissig, die andere sensibel, liebevoll, verträumt und ängstlich.
Ich habe als Junge früh gelernt, das meine sensible Seite – wenn sie sich denn einmal zeigte – Verachtung hervorruft, während der andere Teil von mir Respekt und Bewunderung erhielt… auch beim anderen Geschlecht. Ich dachte als Kind schon ich wäre mir meiner selbst sehr bewusst und treu, aber ich war es nicht… ich war nur meiner Stärke treu, und übernahm unbewußt doch den Hass auf alles Schwache in mir, und verfolgte diesen Teil von mir über Jahre mit unnachgiebiger Härte, wann immer er es wagte sich zu zeigen. So lange ich souverän war, war ich erfolgreich bei den Frauen… aber leider immer nur bis zu einem gewissen Punkt, denn ich war unfähig geworden zu einer echten Beziehung, und sobald ich mehr spürte als „Eroberungswillen“ und sich echte Gefühle zu regen begannen, da wandten sich viele – vorher noch so begeisterte Frauen – mit einem mal wieder ab… sie wollten alle einen Mann der in jeder(!) Lebenslage souverän ist! Wehe er war es nicht… Männer haben stark und unabhängig zu sein, sie müssen aggressiv ihren Willen durchsetzen können… das sind Ideale, die habe ich durch Frauen fast noch stärker „vermittelt“ bekommen als durch Männer! Erst im Psychologie-Studium bin ich endlich mit Frauen in Kontakt gekommmen, die anders waren… und irgendwann hat es eine Frau geschafft diesen Panzer zu durchbrechen, und mir zu zeigen, dass – ganz tief in mir drin – ein wimmerndes Häuflein Elend steckt, das gleichzeitig der beste Teil von mir ist, und der einzige für den es sich zu leben lohnt!
Ich habe trotzdem noch Jahre gebraucht mich „umzustellen“, das Schwache in mir mehr zu lieben als das Starke, denn ich lebe immer noch in derselben Gesellschaft, die keine „starken“ Frauen und keine „schwachen“ Männer haben möchte, weil… ja – warum eigentlich??? Ich glaube, hier trifft die Analyse von Arno Gruen den Kern der Sache sehr gut – und auch wenn er in seinen Büchern manchmal doch sehr verschachtelte Sätze schreibt, könnte ich es nicht besser ausdrücken.
Ich bin selbst ein großer Freund des Feminismus, denn die alten Rollenmodelle sind ausgelutscht und hohl, sie haben keine Energie mehr, und ich bevorzuge (und habe) auch eine Parterin, die ein echtes bewußtes Gegenüber ist, ein lebendiger Spiegel, der mir hilft mich weiterzuentwickeln. Ich bin nur da skeptisch, wo der Feminismus auf Frauen-Seite denselben sinnlos-männlichen Idealen von Stärke und Unabhängigkeit „huldigt“, die mich selbst jahrelang davon abgehalten haben den Teil von mir der schwach ist anzunehmen… ein solcher Feminismus wäre nur eine Fortsetzung desselben männlichen Irrtums auf der anderen Seite, während das was wir brauchen eigentlich eine komplette Befreiung davon ist!
Aber ich bin froh, dass sich da in der heutige Zeit doch einiges bewegt, und das es Frauen wie Dich gibt, die unseren Zeitgeist so treffend und klar beschreiben, und uns allen einen Spiegel vorhalten, der uns hilft freier und bewusster zu werden wer wir wirklich sein und wohin wir uns entwickeln möchten – unabhängig von all diesen überkommenen Rollenklischees. 😉
Lieben Gruß,
Marcel
Sehr zu diesem Thema zu empfehlen das Buch “ Die Wolfsfrau“ von den urkräften der Frau. Leider weiß ich den Namen der Autorin nicht mehr.
Hallo Ulrike!
Lieben Dank für deinen Kommentar. 🙂
„Die Wolfsfrau“ wurde von Clarissa Pinkola Estes etwa im Jahr 1997 geschrieben.
Danke für die Empfehlung!
Lieber Gruß,
Tanja
Danke für deine Worte, stellvertretetend für die vielen vielen anderen Frauen!
Zum obigen Kommentar von Marcel, möchte ich ergänzen:
Die Gesellschaft hat Rollenbilder von Männern und Frauen im Kopf und viele Menschen
orientieren sich bei der Partnerwahl daran. Ich habe davon abgelassen und erkannt
was für mich zählt.
Der Feminismus ist nicht nur der Kampf der Frauen, sondern ein Kampf unserer traumatisierten,
deformierten Gesellschaft! Wenn jeder Einzelne damit beginnt, sich selbst treu zu sein und sich dessen nicht zu schämen was und wer er ist, wäre es möglich eine neue Gesellschaft zu formen. Eine Gesellschaft, in der zwar nicht jeder mit jedem konform geht, aber in der wir aufgrund dessen auch lernen, dass durch Reibung Annäherung enstehen kann. Nämlich dann, weil es passt und nicht, weil Mann! sich (Rollenbildern, oder ungünstigen Vorbildern) unterordnet.
Frauen möchten im Allgemeinen nicht den „Proll“, sondern den „Eigensinnigen“, der trotz Widerstände und für den Kampf des Guten seinen Weg geht!
Hallo Tina,
nochmals lieben Dank für deinen Kommentar. 🙂
Ja, ich kann deiner letzten Zeile hier viel abgewinnen: „Frauen möchten im Allgemeinen nicht den „Proll“, sondern den „Eigensinnigen“, der trotz Widerstände und für den Kampf des Guten seinen Weg geht!“
Auch ich mag Männer, die für sich selbst und das Gute einstehen. Männer, die ihrem Gewissen verpflichtet sind, wie Edward Snowden, Julian Assange, Franz Jägerstätter – um nur einige zu nennen – waren alles andere als feige. Diese Männer braucht die Welt! Und diese Männer finde ich „attraktiv“. 😉
Lieber Gruß,
Tanja
Kannst du bitte meine Rechtschreibfehler berichtigen 🙂
Aber selbstverständlich! 🙂
Danke für diesen Beitrag zur Bewusstseinsentwicklung, liebe Tanja … es erinnert mich an meine freie Interpretation von „adhs“ „Autark durch helle Sinne“, den Titel meines Buches … Danke schön.