Jana, 37 Jahre, schreibt:
Liebe Tanja, ich bin in einer sehr seltenen Situation. Vor circa drei Jahren traf ich im Büro einen Mann, mit dem es richtig gefunkt hat, und zwar für uns beide. Die äußeren Umstände sorgten aber für Turbulenzen. Er war verheiratet … Irgendwann entschied er sich gegen eine Beziehung zu mir.
Ich erlebte mit ihm eine Art emotionale Affäre mit großer Nähe und starker, emotionaler Verbundenheit. Es gab viele intime, tief berührende Gespräche und eine Vertrautheit, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Zu Beginn hat er sich sehr bemüht, später, als er sich langsam zurück zog, habe ich sehr viel investiert … Vergeblich. In körperlicher Hinsicht begegneten wir uns seltener, aber wenn es passierte, war es wunderschön … Vieles jedoch blieb immer ungelebt und nur wie ein Versprechen in die Zukunft, dann, wenn er einmal wirklich frei und bereit wäre …
Natürlich habe ich die Trennung akzeptiert, habe ihm keine Schwierigkeiten gemacht, ihn nicht weiter belästigt.
Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass die Faszination dieser Beziehung damit zusammenhängt, dass wir nie wirklich all das ausgelebt haben, was das Potential versprach … Alles hing wie eine leuchtende Fantasie in der Luft. Und trotzdem komme ich nicht von ihm los. Und nichts hilft. All das ist zwei Jahre her, die Beziehung zu ihm dauerte nur vier Monate. Ich war sogar in einer Psychotherapie, damit ich endlich abschließen kann, aber auch das hilft nicht … Auch habe ich mir neue Ziele gesteckt, Projekte verwirklicht, mich auf allerei Weisen abgelenkt … Und es gibt immer Männer, die an mir interessiert sind, nur fühle ich, dass ich die emotionale Tiefe zu diesen Männern nicht erreiche, wie damals zu diesem einen Mann …
Nachdem es aus war, habe ich mich einige Monate lang tapfer geschlagen. Keinen Kontakt zu ihm, alles gelöscht, neue Hobbys, neue Kontakte, neue Herausforderungen, viel Arbeit, viel Sport … bis ich irgendwann richtig depressive Symptome entwickelt hatte. Ich brach – auch nach Monaten – ständig in Tränen aus und zog mich immer mehr zurück. Dann kam ein universeller Weltschmerz hinzu, der sich bis heute hält …
Ich denke andauernd an ihn, auch nach so langer Zeit noch … Ich gehe mir selber auf die Nerven damit, aber was kann ich nur tun, damit es endlich aufhört?
Ich war übrigens vor der Bekanntschaft zu diesem Mann in einer langjährigen Ehe, in welcher ich unterdrückt worden bin. Es war ein großer Kampf, mich aus dieser Ehe zu befreien, und danach traf ich auf diesen Mann. Damals, als ich auf ihn traf, war ich 35 Jahre alt und er war zwanzig Jahre älter, also 55 … Er hat zwei Kinder mit seiner Frau, war aber in der Ehe nicht glücklich … Er hat mir nie klar gesagt, warum er mit mir nicht weiter gehen wollte, irgendwann wollte er einfach nicht mehr und ich glaube, er weiß bis heute nicht einmal, wie tief er mich berührt hat und ich habe ihm nie davon erzählt … Sein Gehen war ein großer seelischer Schock für mich.
Liebe Tanja, ich habe wirklich alles probiert und ich bin kein psychisch labiler Mensch. Die Ratschläge von Freunden helfen mir nicht, eine Therapie half mir auch nicht, aber ich fühle beim Lesen deines Blogs, den ich übrigens sehr schätze, dass du vielleicht viel tiefer blicken kannst, als es die meisten Menschen tun. Ich hoffe sehr auf einen Rat von dir, auf deine Erfahrung, deine Weisheit und auf dein Sehen … Ich hoffe sehr auf eine Antwort. Liebe Grüße, Jana
Meine Antwort:
Liebe Jana, ich fühle sehr mit dir … Und möchte dir auch gleich etwas Druck wegnehmen, denn das, was du als seltene Situation beschreibst, kommt häufiger vor, als du denkst. Du bist nicht alleine damit.
Ich bin mit deinem Anliegen lange „schwanger“ gegangen, habe mein Buchwissen bemüht, mein Herz, meine Seele, das höhere und das „tiefere“ Selbst, das Unbewusste sowie die Mentalwelten und die sublimeren Gefühle dazu …
Zu deiner Situation von damals:
Es stehen verheiratete Männer mit Kindern oftmals unter einem starken, teils unbewussten Druck, vor allem, wenn die Ehe schon länger in eine Schieflage geraten ist. Einerseits sehnen sie sich nach einer Trennung, andererseits haben sie Angst davor und fürchten – häufig zu Recht! – die Repressalien, die eine Frau finanziell und/oder emotional (über die Kinder) ausüben könnte … Auch ist für einen Mann, selbst in einer schlechten Ehe, häufig eine Art Vertrautheit da, die durch viele Jahre des gemeinsam geteilten Lebens entstanden ist. Und auch wenn er innerlich schon längst desertiert ist, sich nicht mehr als Ehemann, Versorger und Liebender an jene Front stellt, die die Gattin einst für ihn ausgewählt hat, so empfindet er sich aber dennoch noch als Vater seinen Kindern gegenüber … Diese Bindung kann stark sein. (Nicht jeder Mann fühlt sich seinen Kindern stark verbunden, aber viele Männer schon …)
Was ihm jedoch in der Regel fehlt, ist Anerkennung und das Gefühl, für eine Frau dahingehend wertvoll und richtig zu sein, dass er sie wirklich zufriedenstellen kann, und zwar emotional, sexuell und intellektuell.
Es ist selbst bei den untreuesten Männern nicht immer nur der Wunsch nach sexuellen Abenteuern und/oder Eroberungen die Primärmotivation, sondern das tiefer liegende Bedürfnis ist zumeist, dass er einen Hunger nach der positiven Reaktion der Frau verspürt: Er will das Leuchten in ihren Augen sehen, nachdem er z. B. mit ihr intim geworden ist, er will ihre Freude und Zufriedenheit fühlen, nachdem er ihr z. B. Blumen überreicht hat, sei es physisch oder emotional – ein Bouquet an die Seele, warmherzige Worte, Poesie etc. … Er will fühlen, dass er diese Frau tief berühren, besitzen, beeindrucken und beglücken kann, will fühlen, dass sie ihm vertraut und auf jeder Ebene mit ihm einverstanden ist, so, wie er ist. Er möchte ihre Hingabe, ihre Wärme, ihre Anerkennung und über allem das Gefühl, dass er potent genug ist, sie wirklich glücklich zu machen, denn eben dieser Verdienst stärkt und nährt den männlichen Teil seiner Seele, wohingegen die Ehefrau ihn ev. einmal zu oft kritisiert hat, nicht mehr wahrnimmt oder nur noch Materielles im Sinn hat, sei es ein neues Auto, ein neues Möbelstück, ein teurer Urlaub etc. …
Das bedeutet für dich, dass er damals an dir seine eigene Sehnsucht gestillt hat. Er gab dir auf verschiedenen Ebenen etwas, berührte dich tief, und alles, was er dir gab, war für dich goldrichtig. Du hast also eine gewisse Zeit lang positiv auf ihn reagiert, genauso, wie er es brauchte, doch langsam stilltest du seinen Hunger … Dies kann natürlich auch rein fiktiv gewesen sein. Für ihn konnte es genügen, lediglich zu spüren, dass er dich vollumfänglich haben, berühren, besitzen und beglücken könnte – ohne, dass es je wirklich passiert … Doch, anstatt sich tiefer mit dir zu verbinden, besann er sich und distanzierte sich, denn Stress mit seiner Ehefrau, eine Scheidung, ein emotionales Zerrissensein und ein eventueller Verlust der Kinder – nein, zu riskant und zu beängstigend …
Du dagegen kamst aus einer langjährigen Ehe, in welcher du unterdrückt und vermutlich lange in deinen wahren Bedürfnissen missachtest worden bist. Der neue Mann aber sah dich, war einfühlsam, liebevoll und er träufelte Zuneigung auf deine brachliegende und eingefrorene Gefühlswelt, sodass für dich tatsächlich Heilung geschah, was übrigens sehr selten vorkommt … (Auch viele Coaches, Trainer und Psychotherapeuten huldigen lieber einer gewissen Methode, als der Art der Beziehung zum Klienten … Doch wenn jemals etwas heilt, dann geschieht es vorrangig durch die Art und die Qualität der Beziehung zweier Menschen zueinander, jedoch kaum oder niemals durch eine gewisse Methode …)
Aus diesem Grund war diese Beziehung kostbar für dich. So wertvoll. Und es ist ganz klar und natürlich, dass du spürst, dass diese Art der Beziehung – in dieser Qualität – so schnell nicht wieder kommt und du immer wieder Sehnsucht danach verspürst, gerade so, als wärest du damals von dieser normalen, grauen Welt in eine andere Welt hinüber getreten, zu ihm, wo alles leicht, warm und hell gewesen ist, wo deine Seele geborgen war und erstmals, nach sehr langer Zeit, gehalten worden ist …
Die Rolle der Geliebten …
Nochmals: Damit bist du nicht allein. Und jetzt sage ich dir, dass es noch schlimmer kommen hätte können, denn dieser Mann trennte sich von dir und ging zurück in seinen gewiss auch „tristen“ Alltag. Sehr häufig erleben Frauen jedoch etwas anderes. Die Affäre geht weiter, weil der Mann seinen Hunger immer wieder stillt, gleichzeitig auf die Ehe und die Familie – auf das Vertraute – aber nicht verzichten möchte … So wird die Frau nicht selten zur langjährigen Geliebten, bei der er sich u. U. wortreich über die Ehe beschwert, über die „Bösartigkeit“ der Ehefrau, über seine tragische Situation als Versorger, über gewisse Dilemmata und Ungerechtigkeiten … Die Geliebte dagegen hofft, dass er sich eines Tages trennen werde, spätestens dann, wenn seine Kinder erwachsen wären … Häufig stellt sie ihre tiefsten Bedürfnisse hinten an, zeigt ihm stets die beste Version von sich selbst, um in seiner Innenwelt neben der „griesgrämigen“ Ehefrau das feminine Non-plus-Ultra zu sein, das ewig sonnig-freundliche Urlaubsziel, das er jederzeit bereisen und erkunden darf und wo es immer nur Schönes für ihn gibt … Sie behelligt ihn bewusst nicht mit ihren eigenen Sorgen, denn seine „Familien-Situation“ ist vermeintlich schwer genug …
Viele Frauen verbringen Jahrzehnte in dieser Konstellation, stets mit der Hoffnung, dass daraus irgendwann eine wundervolle Beziehung werden wird, wohingegen der Mann nun erst recht keinen Grund mehr hat, entweder sich selbst oder die Ehe in Ordnung zu bringen, noch weniger hat er einen Anreiz, sich zu trennen, denn die Geliebte „stillt seinen Hunger“ – um im Bild zu bleiben, und da sie sich in diese Rolle fügt und verfügbar macht, kann er bei ihr immer wieder auftanken und gleichzeitig die Familie genießen, die Kinder, die Enkelkinder, den gemeinsamen Urlaub, den Hund und in gewisser Hinsicht auch (noch) die eigene Ehefrau, denn vielleicht führt sie den Haushalt gut, kocht u. U. ganz manierlich und – naja – sie ist eben die Mutter seiner Kinder …
Liebe Jana, es hätte also schlimmer kommen können. Für dich fühlt es sich ev. wie eine unausgelebte Verliebtheit an, als wäre da noch soviel Obst am Baum gehangen, das ihr beide nie gepflückt habt, doch sei dir bewusst, dass er es nicht pflücken wollte, und dass es auch sein Gutes hatte, dass er sich zurückgezogen hat, denn so hat er dich frei gegeben.
Ich weiß, wie sehr so etwas in der Seele brennen kann, wie sehr du die Nähe, die Wärme – oder die Idee davon, die Verheißung – vermisst und wie sehr es dem weiblichen Teil in deiner Seele nach eben diesem Kontakt verlangt – ich weiß es sehr gut, und ja, natürlich ist es von seiner Seite auch feige und natürlich ist er im Verhalten so unbewusst, wie es viele Männer nun einmal sind … Auch sie folgen ihren unbewussten Antrieben, denken nicht nach, folgen ihren subjektivierten Ambitionen, spielen mit Nähe und Distanz, und ja, sie verletzen … Die einen bewusst, die anderen unbewusst …
Warum er überhaupt was mit dir angefangen hat …?, fragst du dich vielleicht. Eben deshalb. Er hatte einen emotionalen Hunger und er war unbewusst … Denke bitte nicht, du wärest nicht gut genug gewesen oder es läge an dir …
Und sei dir bewusst: Es ist besser, dass er dich freigegeben hat, als wärest du u. U. in das klassische Schema der Geliebten geraten. Dass er sich tatsächlich eines Tages von seiner Ehefrau getrennt hätte – wohl eher nicht. (Natürlich gibt es auch Männer, die sich wirklich scheiden lassen, doch es ist eher selten … Und wie viele Jahre hättest du darauf warten wollen?)
Emotions- und Bewusstseinsarbeit zur Heilung von schmerzhaften Gefühlen
Jetzt, nach zwei Jahren denkst du immer noch an ihn. Die rationale Arbeit, warum es mit diesem Mann tatsächlich und u. U. nichts geworden ist/wäre, hast du sicher geleistet. Es ist wichtig, realistisch und nüchtern und pragmatisch zu sein. Wo sind jene Fehler, die speziell du an ihm als Fehler siehst? Was wirfst du ihm vor und warum? Feigheit? Unbewusstheit? Egoismus? – Möchtest du so jemanden wirklich als Partner haben?
Wie ist er, wie lebt er? Wie gut hat er sein Leben im Griff – oder hat das Leben eher ihn im Griff? Wie sieht DEIN Lebensmodell aus? Hätte er zu deinem Leben gepasst? Hat er vielleicht sogar auf dich herabgesehen, weil du zwanzig Jahre jünger bist, als er? Gab es Projektionen, die er auf dich hatte …? War er dir in gewissen Aspekten ev. zu limitiert? In seinem Denken, Fühlen, in seinen Ansichten oder Gewohnheiten? Wie sind deine Fantasien bezüglich eines ganz normalen Alltags mit ihm? Siehst du dich Hemden bügeln? Oder doch lieber frei von diesen von der Gesellschaft aufoktroyierten Rollen …
Und kann oder könnte er (nach deinen Maßstäben) bestehen? Wäre er ein streitbarer „Recke“ gewesen, dein Erster Ritter sozusagen, dem du blind vertrauen kannst, weil er standhaft und kompetent ist, oder wäre er eher jemand gewesen, der dir schon bei einem kleinen Nachbarschaftstreit das (symbolische) Schwert in die Hand gedrückt und lethargisch „Kämpf du!“ gesagt hätte … Ist er defensiv oder offensiv? Ist er vorausschauend und gestaltet er sein Leben nach seinem Willen, nach einem gewissen Plan, oder lässt er sich „gestalten“ …?
Falls du all diese Arbeit noch nicht getan hast, dann solltest du dir ein Notizbuch zulegen und alles aufschreiben.
Es geht nicht darum, ihn vor dir schlecht zu machen, sondern nur darum, dir bewusst zu werden, wer er wirklich ist und wieviel Bestand diese Beziehung (für dich) gehabt hätte, wenn er deinen „Hunger nach Heilung und Kontakt“ auch gestillt hätte. Denn irgendwann wärest auch du „satt“ gewesen. Und dann erst wäre er für dich nicht mehr eine „Quelle“ gewesen, die dich nährt und heilt, sondern ein Mensch, den wahrhaftig zu lieben du erst lernen hättest müssen, denn dann erst wäre er für dich keine Notwendigkeit mehr gewesen, sondern eine Option.
Auch ist es wichtig, die Fantasie mit Realität zu unterlegen. Eine Beziehung hat Höhepunkte. Doch eine Fantasie, in welcher er dich 24/7 (24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche) tief berührt, nährt und wärmt, ist illusorisch.
Wenn diese rationale Arbeit getan ist, ist ein Denk-Gerüst geschaffen, das über Bewusstheit Abstand schafft. Denn damit kannst du unterscheiden, was deine Fantasie und seine oder eure Realität ist – oder gewesen wäre. Diese Arbeit solltest du länger als einen Tag lang machen, sondern immer wieder, wenn dir etwas einfällt … Dann schreibst du es auf. Das kann auch wochenlang so gehen … So entsteht zunächst Bewusstsein.
Die Emotionen werden über die rationale Arbeit dadurch nicht (gleich) heil. In der Regel wirst du erst viel später, Wochen oder Monate später, es nicht nur verstandesmäßig ableiten können, dass die über die Schreib- und Reflexionsarbeit ins Bewusstsein sickernde Realität nicht nur der Logik nach „so“ ist, sondern du wirst es fühlen können und tief in dir spüren, dass es „so“ ist, und dann erst ist es in dir wahr und dann kommt wieder Leichtigkeit ins Leben, Lebensfreude und Sinn.
Doch auch jede Emotion, egal wie irrational sie ist, solltest du wie folgt notieren: Heute, am (Datum) dachte ich an/daran … und fühlte mich wie …
Ein Satz kann lauten: „Heute, am (Datum) dachte ich daran, wie schön es hätte sein können, und fühlte dabei einen tiefen, brennenden Schmerz, sodass ich weinen musste …“ Du kannst am Tag fünf oder mehr solcher Sätze notieren, es spielt keine Rolle. Diese Aufzeichnungen zusammen mit der logisch-rationalen „Tagesbilanz“ werden dir irgendwann „seltsam“ erscheinen, surreal oder unwirklich, trotzdem bist das du … Es sind deine Emotionen, deine Wunden, dein Schmerz – aber ich garantiere dir, wenn du dir nach einer gewissen Weile ansiehst, worüber du z. B. vor einer Woche geweint hast und welche Emotion dich dagegen z. B. gestern stark im Würgegriff hatte, dass du nach einer Woche das Gefühl hast, damals hätte diese „komische Emotion“ einer anderen gehört …
Das Interessante beim Analysieren von Emotionen ist, dass du lernst, dein Unbewusstes zu erkennen. Denn schmerzhafte Gefühle haben seltenst ein und dasselbe Gesicht, eine Oberfläche, die sich im Unbewussten, das wie ein Teich ist, mal so und mal so zeigt, und mal kommt es plötzlich nach oben, und mal dreht es sich und zeigt sich wieder anders …
Das alles solltest du notieren. Für gewöhnlich werden schmerzhafte Gefühle über Gedanken, über Wortgedanken, Gefühlsbilder oder Vorstellungen an die Oberfläche geholt. Wenn die Tränen fließen, ist es gut. Danach notierst du minutiös und akkurat, was der Auslöser war, warum du jetzt weinen musstest, welcher Gedanke ursächlich ist und wo das Gefühl im Körper sitzt, wo es am meisten schmerzt …
Nach ein bis zwei Tagen kannst du dir durchlesen, warum du geweint hast. Und du wirst feststellen, dass diese eine Emotion plötzlich durch ist, du aber heute ganz andere, schmerzhafte Emotionen hast. Auch kannst du die Emotion mit der rationalen Analyse vergleichen und abwägen, ob diese Emotion wirklich „wahr“ oder eher „sentimental“ ist …
Ich garantiere dir, dass auf diese Weise die schmerzhaften Emotionen langsam in der Schmerzintensität weniger werden. Je öfter du dir bewusst wirst, dass es ein bestimmter Gedanke oder eine bestimmte Vorstellung von dir ist, der/die ein bestimmtes Gefühl an die Oberfläche holt, und je öfter du exakt dieses Gefühl durchlebst, umso leichter wird es … Und irgendwann wirst du keinen Bezug mehr dazu haben, weder zu den Gedanken oder zu der Emotion und du wirst nicht mehr nachvollziehen können, warum du dich am Tag X oder Y so sehr down gefühlt hast … Du verstehst es einfach nicht mehr, es ist für dich neutral, nicht mehr wirklich wahr und greifbar – und deshalb gut …
Ablenkung ist nicht immer sinnvoll
Hinweis: Viele Menschen, die eine Trennungsphase durchlaufen, versuchen sich abzulenken. Viele Coaches und Therapeuten raten auch dazu. Doch wenn dazu Sinnlosigkeitsgefühle und/oder Weltschmerz kommt, dann ist eben das das Zeichen, dass die Seele gehört werden möchte. Sie will sich gar nicht ablenken sondern will „gefühlt“ und gehört werden. Eben deshalb erscheinen alle anderen Aktivitäten sinnlos. Die Seele sagt indirekt: Solange du mich nicht anhörst, nehme ich dir die Kraft für alles Äußere. Die Bewusstseins- und Emotionsarbeit ist daher keine Ablenkung, sondern im Gegenteil, eine essentielle Verbindung zur eigenen Seele – zu dir selbst. Wenn du Wochen oder Monate hindurch ein Notizbuch führst, das auch jederzeit griffbereit ist, wenn du immer wieder hineinschreibst und alte Einträge liest, wenn du die Emotionen in der Intensität vergleichst und über die Bewusstwerdung Abstand schaffst und noch dazu irgendwann feststellst, dass du zur Emotion X, die dich einmal so sehr gequält hat, heute eigentlich keinen Bezug mehr hast, dann ist das neue Gefühl „Bezugslosigkeit“ und so steigst du Schritt für Schritt aus den Zwangsgedanken und den schmerzhaften Emotionen aus, die nebenbei heilen … Das braucht Zeit, aber es wird gelingen, denn du lenkst dich nicht ab, sondern wendest dich (über das Notizbuch) dir und deiner Seele und den Prozessen intensiv zu. Du bist mit dir selbst in Fühlung und du durchlebst den Schmerz, und du klassifizierst ihn und machst ihn dir bewusst – und so geschieht Heilung.
Nachträglicher Kontakt um abzuschließen
Es ist auch keine Schande, ein leichtes Antidepressivum zu nehmen, sowie es keine Schande ist, dem Mann, der so tief in deinem Herzen ist, nach zwei Jahren zu schreiben. Dies sollte kein Anbahnungsversuch und keine Abrechnung sein, aber deine innerste Wahrheit. Auf keinen Fall solltest du das tun, um ihn wieder auf dich aufmerksam zu machen, um eine diffuse Hoffnung deinerseits wieder zum Glühen zu bringen, sondern du teilst ihm mit, dass er für sein eigenes Heil sich selbst und seine Ehe in Ordnung bringen hätte sollen und sich nicht mit anderen Frauen – in dem Fall mit dir – selbst „anfixen“ hätte sollen, um dann erst Recht einen Rückzieher zu machen … Immerhin ist es auch dein Leben und deine Zeit gewesen. Und wenn er sein eigenes Schema mit über 50 noch nicht durchschaut hat, dann wird es höchste Zeit, und zwar für Reife und Verantwortung … Du kannst ihm mitteilen, dass er ev. (noch) unbewusst ist … Vielleicht war seine „Geber-“ und „Herzensgüte“ rein, vielleicht war er teils wirklich nur freundlich und menschlich zugewandt, doch auch das weckte in dir eine Hoffnung auf mehr und dafür hat er später keine Verantwortung mehr übernommen … Auch dessen hätte er sich bewusst sein können oder zumindest bewusst werden können. Seine Ehefrau betrog er allemal. Ob er jetzt mal gucken wollte, gustieren wollte, einen Sidestep wagte und ihm danach alles „zu heiß“ wurde oder wie auch immer, er sollte sich eben genau so NICHT verhalten und wenn du das Schweigen brichst und ihm klar machst, dass auch er verantwortlich ist – und zwar in erster Linie für sich selbst, dann für das Gelingen oder Scheitern seiner eigenen Ehe und dann für andere, hat er eine Chance, bewusst zu werden. Er kann dann aufwachen und in Hinkunft besser/reifer handeln. (So jedoch hat er vermutlich noch nicht einmal den blassesten Schimmer, dass du gelitten hast – und immer noch leidest – und was sein eigener Anteil dabei ist.)
Wie auch immer, du selbst bist Expertin deines eigenen „Falles“, so wie ein Detektiv Experte seines eigenen Falles ist, und so weißt du, wie du agieren kannst/musst.
Du solltest jedoch nicht auf eine Antwort bestehen/hoffen und ihn wissen lassen, dass du nichts von ihm lesen wirst, im Falle, er wolle antworten. Wenn er ein kindliches Gemüt hat, wird er mit dem Finger auf dich zeigen und dir alle Schuld geben, weil er keine Verantwortung tragen kann, und wenn er ein einfaches Gemüt hat, wird er sich geschmeichelt fühlen, dass du nach so langer Zeit noch an ihn denkst usw. … Wenn er ein erwachsenes Gemüt hätte, so hätte er seine Frau nie betrogen und dich nie „benutzt“. Das sollte dir klar sein. Egal, wie er es aufnimmt, was du schreibst, du gibst ihm mit einem Schreiben die Chance, bewusst(er) zu werden, ob es gelingt und er es annimmt, steht auf einem anderen Blatt Papier, aber wenn du schweigst, dann bringst du ihn gänzlich um die Möglichkeit zur Selbstreflexion.
Und für dich ist es eine Entlastung, weil du dir – wie es Frauen gemeinhin tun – nicht mehr für alles selbst die Schuld geben musst. Es wird dir helfen, leichter damit abzuschließen. Sein Weggehen damals hat dich „schockgefrostet“ und eben dieser Schock und die „brave Vernunft“, das brave Akzeptieren seines Sinneswandels, quält dich, sowie die Frage nach dem Warum und wie konnte er nur seine Gefühle (für dich) so schnell drehen … Auch das ist eine Kränkung, die Ablehnung der eigenen Person … (Warum er seine Gefühle so schnell wandeln konnte, siehe oben.)
Frage dich ernsthaft, ob du ihn damals nicht gerne zur Rede gestellt hättest, warum er so mit dir umgeht, wie er sich erdreistet, dir erst so nah zu kommen und dich dann, wenn du am offensten und am verletzlichsten bist, fallen lässt wie eine heiße Kartoffel und was das alles (von seiner Seite aus) war und sollte … (Hinweis: Die meisten Menschen fühlen sehr genau, wenn sie sich falsch verhalten haben, viele haben auch gute Erklärungen, doch andere ertragen es nicht, ihre eigenen Fehler anzusehen und verfallen in Antipathie und Abwehr – in sog. Ego-Verteidigungsstrategien, die mal mehr mal weniger schön ausfallen können … Doch selbst wenn dich die unschönste Variante – sagen wir fantastische Beschimpfungen – ereilt hätte, so wäre dir ein Abschließen auch dann leichter gefallen, eben weil er offenbar selbst keine Erklärung für sein Verhalten hat und du darüber im besten Fall nur noch den Kopf schütteln hättest können – wieder ein Erkenntnisgewinn mehr.)
Liebe Jana, ich hoffe, dir damit geholfen zu haben. Ich möchte dich nochmals daran erinnern, dass du nicht alleine bist. Viele Frauen und auch Männer erleben dasselbe wie du, und lernen im Idealfall daraus. Heilung braucht Zeit. Ablenkung ist oft Verschiebung. Nicht immer helfen Ratschläge und Lebenshilfebücher und Therapeuten und Freunde. Und vermutlich wird es noch lange dauern, bis du einen Mann triffst, der deine Seele erneut zum Klingen und Blühen bringt, doch wenn es soweit ist, wirst du – wenn du die Hausaufgaben deiner Seele jetzt wirklich machst – viel besser einordnen und prüfen können, ob er es wert ist und wie weit du dich einlässt … Zwinker: Die meisten Frauen ab 35 wissen, dass verheiratete Männer mit Kindern, die ostentativ eine Abwechslung oder „Zweitfrau“ suchen, in der Regel nichts Gutes verheißen.
Spirituelle Sicht – und neue Hoffnung
Warum dir das passiert? Warum ausgerechnet du das erleben musst? – Liebe Jana, andere Menschen sehen z. B. dem Tod durch eine schwere Krankheit entgegen. Warum müssen ausgerechnet die das erleben? Die Geliebte eines Mannes … Warum muss ausgerechnet sie das erleben? Die Bitterkeit und den Selbsthass – die Selbstvorwürfe, wenn sie endlich erwacht und begreift, dass all die Jahre verschwendet waren, dass es keinen Sinn mehr hat, auf einen verheirateten Mann zu hoffen …? Was ist denn der Sinn hinter all dem? Die Antwort ist denkbar einfach: Jede Seele, die sich auf Erden inkarniert hat, arbeitet zunächst Karma aus, doch sie lernt auch … Dieses Lernen geschieht durch tief verinnerlichte Erfahrungen, die sich in der Seele abspeichern und in die nächste Inkarnation mit hinüber genommen werden. Ginge seelisches Lernen durch bloßes „Lesen“, durch kognitives Aneignen eines gewissen Wissensgebietes und durch Wiedergabe des Wissens bei einem Test, müsste niemand von uns sich inkarnieren. Seelisches Reifen gelingt nur durch Erleben und Erfahren. Mehr dazu im Artikel Gibt es für jeden einen Lebensplan?
Falls ihr, liebe Leser, einen Tipp für Jana habt oder eigene Erfahrungen teilen wollt, schreibt es doch in die Kommentare!
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Lebenshilfe und Beratung
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Danke,
die Antwort an Jana war sehr hilfreich für mich. Bin zwar ein Kerl, habe mich aber in vielem wieder gefunden.
Hallo Jens,
danke für deinen Kommentar! 🙂
Es freut mich, dass dich der Text – auch als Kerl! – erreicht hat. 😉
Lieber Gruß,
Tanja
Ich bin auch ein „Kerl“ aber bin in der selben Situation. Seit zwei Jahren auf Abstand und dennoch sind die Gedanken „bei ihr“. Man hat sich da so seine Illusion aufgebaut und es ist schwer davon wieder weg zu kommen.
Ich werde es mal mit dem Notizheft versuchen.
Jemand Erfahrungen damit?
Grüße Alexander
ich bin in einer ähnlichen Situation, aber noch mitten drin. Ich habe eine emotionale, aber auch auf die Distanz sexuelle Affäre mit einem verheirateten Mann. Sie besteht seit noch nicht einmal 3 Monaten und trotzdem ist diese Liebe über mich/über uns gekommen wie ein Tsunami. Wir haben uns noch nie gesehen und wollen das unbedingt so beibehalten. Alles läuft über WhatsApp und Telefon. Aber es ist schwierig und manchmal für beide Seiten schmerzhaft. Weil wir, eigentlich eher er, diese Beziehung geheimhalten muss. Er kann seine Frau aus verständlichen Gründen nicht allein lassen. Das kann ich akzeptieren und wusste es von Anfang an. Ich bin seit über 20 Jahren geschieden, aber möchte auch keine feste Beziehung mehr eingehen. Die Trennung damals war für mich extrem schlimm, und ich wollte nie mehr eine neue Beziehung haben. Aber diese neue „Liebe“, ja für mich ist es Liebe, hat alles verändert, und ich erlebe einen Zustand, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten hätte. Ich habe Schmetterlinge im Bauch. Es gibt noch eine Besonderheit, ich bin 20 Jahre älter. Aber das spielt eine untergeordnete, wenn nicht gar keine Rolle. Seine Frau ist auch wesentlich älter. Wir sind ratlos, wie wir damit umgehen sollen. Wir möchten eigentlich keine Beendigung dieser „Affäre“, aber auch der jetzige Zustand ist nicht ohne Probleme. Was die Vernunft sagt, wissen wir. Nämlich so schnell wie möglich ein Ende machen. Aber wir schaffen es nicht. Viele Grüße Gudrun
Hallo Gudrun,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Meiner Erfahrung nach (auch im beratenden Kontext mit Menschen) sind Beziehungskonstrukte, wie du sie aktuell erlebst, so häufig wie aussichtslos. Ein gebundener Mann, den du noch nie gesehen hast …, eine Beziehung rein in digitaler Form, daraus erwächst meiner Erfahrung nach proportional soviel Hoffnung wie Leid.
Wenn es dich interessiert, kannst du einen Blick in folgenden Artikel werfen: Wie man eine Liebesbeziehung aufbaut. Darin sind einige Stolpersteine im ersten Beziehungs- und Kennenlernprozess dargelegt, die meiner Erfahrung nach sehr häufig vorkommen, sowie Lösungen.
Ich wünsche dir von Herzen alles, alles Gute! 🙂
Lieber Gruß,
Tanja
Vielen Dank für deine offenen Worte. Ich werde die von dir vorgeschlagene Seite lesen und vielleicht für mich Anregungen finden. Wie gesagt, wenn ich „vernünftig“ wäre, würde ich die Affäre sofort beenden. Aber leider bin ich noch nicht so weit. Das braucht noch einige Zeit, fürchte ich, und vielleicht auch einiges an Leid und einen Sturz von der rosa Wolke 7, auf der ich mich trotz allem befinde. Dabei bin ich eigentlich eine pragmatische, bodenständige und vernünftige Person, die unzählige Schwierigkeiten in ihrem Leben gemeistert hat und immer noch tut. Vielleicht war ich 20 Jahre lang zu vernünftig und es bricht etwas auf, das ich erfolgreich verdrängt habe. Wenn ich darf, werde ich vielleicht berichten, wie es mir/uns ergangen ist. Liebe Grüße Gudrun