Die biblische Saulus-Paulus-Geschichte greift nur bei denjenigen, bei denen ein Bewusstseinsstrahl etwas zu entzünden vermag, doch das ist die Ausnahme – und Ausnahmen widerlegen die Regel nicht, sondern bestätigen sie. Wer daher Gut und Böse nicht bestehen lassen kann, wird das Böse selbst dann nicht erkennen, wenn es ihm direkt vorgesetzt wird. Aus diesem Grund wird die Formel, dass alle aus der selben Quelle stammen, über alles gegossen, was sich heraus-präzisieren möchte. Es stimmt: Alles stammt aus einer Quelle. Aber die Spinne und die Fliege stammen auch aus der selben Quelle. Die Frage hierzu lautet: Wer wickelt wen ein und saugt ihn aus?
Wie das Böse spirituell definiert ist
Im sechzehnten Kapitel der Bhagavad Gita in der Übersetzung von A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada sind die göttlichen und dämonischen Eigenschaften der Menschen dargelegt.
Einige Vers-Zitate daraus:
Vers 4: Stolz, Überheblichkeit, Selbstgefälligkeit, Zorn, Grobheit und Unwissenheit – diese Eigenschaften gehören zu denen, die von dämonischer Natur sind.
In der Erläuterung hierzu steht: Diese dämonischen Eigenschaften nehmen sie schon mit dem Beginn ihres Körpers im Schoß der Mutter an, und während sie heranwachsen, treten all diese unheilvollen Eigenschaften allmählich an den Tag.
Vers 5: Die transzendentalen Eigenschaften führen zur Befreiung, wohingegen die dämonischen Eigenschaften Gefangenschaft verursachen.
Vers 7: Diejenigen, die dämonisch sind, wissen nicht, was getan werden muss und was nicht getan werden darf. In ihnen ist weder Sauberkeit noch richtiges Verhalten, noch Wahrheit zu finden.
Vers 8: Sie sagen, die Welt sei unwirklich, sie habe keine Grundlage und es gebe keinen Gott, der sie beherrsche. Sie sagen, sie sei durch sexuelles Verlangen erzeugt worden und habe keine andere Ursache als Lust.
Vers 9: Weil die Dämonen, die sich selbst ausgeliefert sind und die keine Intelligenz besitzen, sich nach solchen Schlussfolgerungen richten, gehen sie unheilvollen, abscheulichen Tätigkeiten nach, die dafür bestimmt sind, die Welt zu zerstören.
Vers 11: Sie glauben, die Sinne zu befriedigen sei die vorrangigste Notwendigkeit für die menschliche Zivilisation. So sind ihre Ängste und Sorgen bis an ihr Lebensende unermesslich. Durch ein Netz von Tausenden und Abertausenden von Wünschen gebunden und erfüllt von Lust und Zorn, verschaffen sie sich mit unrechtmäßigen Mitteln Geld für Sinnenbefriedigung.
Vers 18: Verwirrt durch falsches Ego, Stolz, Lust und Zorn werden die Dämonen neidisch auf die Höchste Persönlichkeit Gottes, die in ihrem eigenen Körper und in den Körpern der anderen gegenwärtig ist, und lästern die wirkliche Religion.
Vers 19: Krishna spricht: „Die Neidischen und Boshaften, die Niedrigsten unter den Menschen, werfe Ich unaufhörlich in den Ozean des materiellen Daseins, in die verschiedenen dämonischen Arten des Lebens.“
Vers 20: Krishna spricht: „Da solche Menschen immer wieder unter den dämonischen Lebensformen geboren werden, können sie sich Mir niemals nähern. Nach und nach sinken sie in die abscheulichsten Formen des Daseins hinab.
Reflexion und Theorie
Es sind dies Auszüge, die ohne Erläuterung und ohne im Kontext der gesamten Gita lediglich Impulse sind. Yogis, insbesondere Bhaktas, kontemplieren i. d. R. über die Verse. Die Bhagavad Gita ist kein „Lesebuch“ im eigentlichen Sinne, sondern ein Kontemplationsbuch. Die Verse sind in gebundener Sprache, in Sanskrit, gegeben. Es ist ein ein formal schönes Werk, wenngleich sich dies im deutschen Gewand verliert, da wir kein Sanskrit können …
Die Verse ohne Erläuterung sind daher etwas „abgeholzt“, aber hier mag es reichen.
Wer mag, kann sich selbst reflektieren, inwieweit er selbst oder andere ihm bekannte Personen „asurische“ Eigenschaften hat/haben. Dies kann mittels Schreibwerkzeug und Liste geschehen und weiter geführt werden: Welche Personen, die das eigene Leben berühren, sind – gemäß obigen Versen – asurisch? Familie, Freunde, Kollegen?
Werden böse Menschen so geboren oder so sozialisiert?
Die Frage, die bis heute diskutiert wird, ist, ob böse Menschen schon so geboren werden oder ob sie aufgrund ihrer Kindheitserlebnisse so geprägt werden.
Ich schrieb 2019 einen ausführlichen Artikel mit dem Titel „Warum gibt es das Böse in der Welt?“. Darin sind Beispiele gegeben, es gibt Bezüge zur Ethik, zur Empathie und weiters wird auch die biologische Sichtweise erörtert.
Was in dem Artikel fehlt, ist das „Fuchs-Experiment“. Es gab einen Fuchszüchter und Forscher, der herausfinden wollte, ob es möglich ist, handzahme Füchse zu züchten, wenn er nur „freundliche“ Füchse paart. Das Experiment lief seit 1956 bis heute. Der Forscher hieß Dmitri Belyaev. Er zeigte: Ja, es ist möglich, freundlich-handzahme Füchse zu züchten, wenn sich nur diese fortpflanzen. Und es ist im Gegenzug möglich aggressive Füchse zu züchten, wenn sich nur diese untereinander paaren.
Das heißt: Gewisse Erbmerkmale können weggezüchtet oder verstärkt werden.
Wenn nun Aggressivität weggezüchtet werden kann, könnte dann auch das Böse im Menschen weggezüchtet werden? Erlaubte man es Sexualstraftätern, Tierquälern, Sadisten, Psychopathen, Mördern etc. nicht mehr, sich fortzupflanzen, wie sähe die Welt in der dritten, vierten Generation dann aus? – Hierüber darf jeder selbst reflektieren.
Die Bhagavad-Gita hat auf die Frage, ob schlechte (asurische) Menschen schon so geboren werden, eine eindeutige Antwort:
Diese dämonischen Eigenschaften nehmen sie schon mit dem Beginn ihres Körpers im Schoß der Mutter an, und während sie heranwachsen, treten all diese unheilvollen Eigenschaften allmählich an den Tag. (Erläuterung zu Vers 4)
Daraus geht hervor, dass Empathie oder eine natürliche Ethik vorhanden sein muss, auch wenn Psychologen auch das mitunter verneinen und sagen, Empathie wäre etwas sozial Erlerntes, damit Prägung/Erziehung …
Wenn wir auf einem Marktplatz stehen und sehen, wie ein Mann in aller Öffentlichkeit ein Kind verprügelt, schnürt es einem Teil der Menschen die Luft ab, ein anderer Teil sieht weg und geht weiter, nach dem Motto „Das geht mich nichts an“, und wieder ein anderer Teil nimmt Anlauf und stürmt hin, um das Kind zu befreien.
Es gibt also empathische und weniger empathische Menschen.
Und es gibt passive und aktive Menschen.
Doch ungeachtet all der Bezüge, die Ethik, Empathie, gutes und böses „Verhalten“ beschreiben, wird es uns m. E. aberzogen das „Böse“ zu sehen und zu benennen. Dies geschieht teils aus jener Psychologie, die Mitgefühl mit Tätern fordert, teils aus der Spiritualität, die sich auf Spiegelung und Resonanz bezieht: Es heißt z. B:
1. Wer von negativen Menschen umgeben ist, hat es angezogen. Er muss (nur) seine Chakren klären, innere Blockaden lösen, dann ist das Thema durch.
2. Kinder, die vergewaltigt werden, haben sich das selbst ausgesucht. Es ist „karmisch“.
Stellt man diesen Aussagen obige Gita-Verse gegenüber, dann kommt dies darin nicht vor.
Wie Spiritualität verflacht wird
Wer ein weiteres Gedankenexperiment wagen möchte, darf sich vorstellen, er wäre Präsident eines Landes oder gar der ganzen Welt. Die Pyramidenstruktur ist gegeben. Ihr müsst den Status Quo halten, die Macht erhalten. Das könnt ihr ganz gut. Medien, Gesetze, Propaganda sind auf eurer Seite und der Konformitätsdruck tut das Seinige. Aber da gibt es eine Gruppe von Menschen, die gefährlich werden können.
Es sind die, die das ganze System kippen könnten.
Es sind die Spirituellen.
Nun könnt ihr Spiritualität nicht verbieten, aber ihr könnt dafür sorgen, dass die spirituellen Lehrer (Anführer) verunglimpft werden. Aber ihr geht einen Schritt weiter. Ihr verunglimpft keine Anführer, ihr sorgt dafür, dass diejenigen, die in der spirituellen Szene nach oben kommen, nichts Gehaltvolles verbreiten. Ihr überschüttet diejenigen mit Ruhm, die z. B. „nur richtig beim Universum bestellen müssen“. Spiritualität ist damit entwaffnet. Dies ist die populär-esoterische „Flachland-Spiritualität“, die uns in dieser Weise schon seit Jahrzehnten begegnet. (Die Autorin des Buches, deren Namen ich aus Respekt nicht nennen möchte, verstarb mit nur 46 Jahren an Krebs, was den Botschaften ihrer Bücher wenig Glaubhaftigkeit verleiht.)
Das „Böse“, das sich darin zeigt, sind nicht die Autoren jener Werke. Dies sind Menschen, die i. d. R. selbst daran glauben. Aber das Design funktioniert so: Ein bisschen Spiritualität wird offiziell zugestanden und verbreitet, aber i. d. R. ist es Flachland.
Spiritualität ist häufig etwas, was im Alleingang gelebt und erfahren wird. Die Tiefe, die erlebt und erfahren werden möchte, bzw. die Seelentiefe wird im Außen nicht angesprochen. Es gibt kein flächendeckendes, spirituelles Angebot. So wird es zum Trial-and-Error. Menschen erleben Spiritualität zunächst als etwas, das in der Freizeit stattfindet. Es gibt Bücher, Seminare etc. … Doch dies gibt es nur für die, die aktiv danach suchen.
Die Tarnung des Dämonischen
Das Versteckspiel, nämlich dass es sich nur um Bewertungen, um Urteile des Verstandes, um Kategorien der Dualität handle, entspringt der „Flachland-Spiritualität“ und tarnt damit das Asurische. Somit ist ein Erkennen desselben verhindert. Wer anerkennt, dass es Gut und Böse gibt, kann in diesem Bewusstsein zu einer anderen Klarheit und Stärke finden. Die Bhagavad-Gita beschreibt das „Böse“ in der Welt auf eine zeitlose Weise. Neben dieser können auch ethische Grundsätze herangezogen werden.
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Liebe Tanja,
Durch die Veränderung des Bewusstseins nimmt man die Dinge einfach nicht mehr als Böse wahr. Man kann das zwar verstandesmäßig erfassen…. Putin ist wohl böse, aber das Gefühl folgt dem nicht ( mehr).
Es heißt übrigens trial and error….
Danke für deine Anregung über das Thema nachzudenken!!
Hallo Carolin,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Auch wenn man das Böse nicht mehr als „böse“ wahrnimmt, löst es sich deswegen nicht auf und wird aus sich selbst heraus „gut“.
Zu Präsident Putin habe ich eine gegenteilige Meinung, aber das ist ein anderes Thema.
Lieber Gruß!
Tanja