Syndrom bezeichnet in der Psychologie eine Kombination von verschiedenen Symptomen, die i. d. R. gleichzeitig auftreten.
Das Kundalini Syndrome – in englischer Schreibweise – ist ein Begriff, der vor allem im englischen und amerikanischen Sprachraum gebraucht wird, jedoch mehr und mehr ins Deutsche Einzug hält. Darunter wird aus psychologischer Sicht das Auftreten von sensorischen, motorischen, mentalen und affektiven Erscheinungen begriffen. Das Kundalini Syndrom bildet einen Symptomkomplex, der im Zuge einer spirituellen Krise und/oder eines Kundalini-Erwachens auftreten kann. Diese Phänomene sind in der Transpersonalen Psychologie, in Nahtod-Studien und in anderen Quellen zu transpersonalen, spirituellen oder medizinischen Themen beschrieben. Das Kundalini Syndrom wird auch als Physio-Kundalini-Syndrom bezeichnet.
Der Physio-Kundalini-Syndrom-Index nach Greyson
Bruce Greyson (geb. 1946), amerikanischer Psychiater und Neurowissenschaftler, entwickelte den Physio-Kundalini-Syndrom-Index, um Kundalini zu untersuchen. Der Index umfasst vier Hauptkategorien: motorische Symptome, somatosensorische Symptome, audiovisuelle Symptome und psychische Symptome.
1. Motorische Symptome
1. Körper, der ohne ersichtlichen Grund seltsame Positionen einnimmt und beibehält.
2. Der Körper friert ein oder nimmt starre Positionen ein.
3. Das spontane Atmen stoppt oder wird ohne ersichtlichen Grund schnell, flach oder tief.
4. Spontane unwillkürliche Körperbewegungen.
2. Somatosensorische Symptome
5. Spontanes tiefes ekstatisches Kitzeln oder Orgasmusgefühl.
6. Körperliche Empfindungen, die in den Füßen, Beinen oder im Becken beginnen und sich über Rücken und Nacken bis zur Oberseite des Kopfes, über die Stirn, über das Gesicht, dann bis zum Hals und bis zum Bauch erstrecken.
7. Extreme Hitze- oder Kälteempfindungen, die sich durch den Körper bewegen.
8. Die körperliche Hitze oder Kälte ist stark genug, um jemanden oder ein lebloses Objekt zu verbrennen oder auf andere Weise zu beinträchtigen.
9. Schmerzen in bestimmten Körperteilen, die abrupt beginnen und enden.
10. Kribbeln, Vibrieren, Jucken oder Kitzeln auf der Haut oder im Körper.
3. Audiovisuelle Symptome
11. Interne Geräusche wie Pfeifen, Zischen, Zwitschern, Brüllen oder flötenartige Geräusche.
12. Interne Stimmen.
13. Interne Lichter oder Farben, die Körperteile beleuchten
14. Interne Lichter, die hell genug sind, um einen dunklen Raum zu beleuchten.
4. Psychische Symptome
15. Sich selbst beobachten, einschließlich seiner Gedanken, als wäre man ein Zuschauer.
16. Plötzliche, intensive Ekstase, Glückseligkeit, Frieden, Liebe, Hingabe, Freude oder kosmische Einheit.
17. Plötzliche intensive Angst, Depression, Hass oder Verwirrung.
18. Gedanken beschleunigen sich spontan, verlangsamen sich oder hören ganz auf.
19. Sich als körperlich größer als der Körper erleben.
Anm.: Das Hauptsymptom, nämlich ein energetisches (Hitze-)Gefühl in der Wirbelsäule, hat Greyson nicht benannt, womit der Index insbesondere bei einem Kundalini-Erwachen m. E. unpräzise ist. Die Schlaflosigkeit, die häufig auftritt, ist ebenfalls nicht genannt. Auch fehlen wichtige Erscheinungen aus den Kundalini-Siddhis, den paranormalen Phänomenen, die im Zuge eines Kundalini-Erwachens auftreten können, z. B. das Out-of-Body-Phänomen. Punkt 8 in Greysons Liste benötigt m. E. generell eine nähere Erklärung.
Weiters verwendete Itzhak Bentov (1923 – 1979) im Buch „Auf der Spur des wilden Pendels“ den Begriff Physio-Kundalini-Syndrom.
Dr. Lee Sannella verwendete den Begriff später, um die Inzidenz physiologischer Phänomene zu beschreiben, die mit Erfahrungen mit Kundalini koexistieren. Sowohl Itzhak Bentov als auch Lee Sannella stimmten mit Gopi Krishnas Sichtweise überein, dass Kundalini die Basis für eine Entwicklung hin zu höheren Bewusstseinszuständen ist.
Auch benutzte den Begriff Kundalini Syndrom u. a. der tschechische Psychiater und Psychotherapeut Stanislav Grof (geb. 1931) im Leitfaden „Spiritual Emergency: The Understanding and Treatment of Transpersonal Crises“. – Spiritueller Notfall: Das Verständnis und die Behandlung transpersonaler Krisen. (Stand: 2017)
Stanislav Grof ist Begründer der Transpersonalen Psychologie, die in ihren Anfängen psychoaktive Substanzen nutzte, später jedoch zum Holotropen Atmen überging. Es ist das Verdienst von Stanislav Grof, dass er die „spirituelle Krise“ mit oder ohne Kundalini Syndrom als solche erkannt und von psychopathologischen Mustern unterschieden hat. Auch gründete er das „Spiritual Emergence Network“ (SEN), das Menschen bei „spirituellen Notfällen“ hilft.
Vom Kundalini Syndrom spricht ebenso die buddhistische Lehrerin und Psychotherapeutin Tara Springett. Auch verwendet sie den Begriff Kundalini-Psychose. (Stand: 2020)
Sowie westlich-psychologische Interpretationsmuster an den Kundalini-Prozess gestellt werden, wird vom Kundalini Syndrom gesprochen, ferner von einem komplexen physio-psychospirituellen Transformationsprozess. Die Terminologie wird also hauptsächlich von westlichen Psychotherapeuten gebraucht.
Das Kundalini Syndrom aus yogischer Sicht
Aus yogischer Sicht verhält es sich etwas anders. Die rein psychologische Betrachtungsweise des Kundalini-Aufstiegs, wenn auch im spirituellen Kontext gedeutet, ist dahingehend fragmentiert, da hinduistische Konzepte, Philosophien, Systeme an sich vollständig sind und in Überführung in westliche Psychologie/Denkschemata eine Fragmentierung erfahren. Es gibt im Yoga, sowie im Kundalini-Yoga, detaillierte Beschreibungen der Nadis (feinstoffliche Energieleitbahnen), der drei Granthis (drei Knoten), der sieben Hauptchakren, der drei Hauptnadis Ida, Pingala, Sushumna usw. Weiters werden im Yoga Energieerweckungsphänomene und/oder außergewöhnliche Bewusstseinszustände systematisch klassifiziert sowie graduell unterscheiden. Auch gibt es verschiedene – vereinfacht ausgedrückt – Erleuchtungsstufen, verschiedene Erweckungsgrade und Bewusstseinsebenen.
Diese interpretative Verkleinerung ist m. E. auch dem schweizer Tiefenpsychologen C. G. Jung (1875 – 1961) passiert, der das Kundalini-Phänomen u. a. mit dem Individuationsprozess gleichsetzte. Siehe C. G. Jung: Die Psychologie des Kundalini-Yoga. Nach Aufzeichnungen des Seminars 1932, Walter Verlag, Olten 1998. Dies auch deshalb, weil C. G. Jung mit östlichem Gedankengut generell Schwierigkeiten hatte. Darüber berichtete Harold Coward, Professor für Religionswissenschaft, in „Jung and Eastern Thought“, State University of New York Press, Albany 1985. Harold Coward zeigte, dass C. G. Jung dem Yoga kritisch gegenüberstand; weiters war er ambivalent, lt. Coward „voller Hassliebe“, gegenüber dem Konzept des Karmas, der Reinkarnation und gegenüber den Yoga-Sutren des Patanjali. (Das Yoga-Sutra des Patanjali kann als Königsschrift des Yoga, als Weisheits-Essenz zur Befreiung, begriffen werden.)
Ist nun ein Kundalini-Erwachen bei westlichen Psychotherapeuten im Umfeld der spirituellen Krise mit dem Kundalini Syndrom gedeutet, ist dies bei C. G. Jung der Individuationsprozess.
Beide Interpretationen sind nicht grundlegend falsch, aber aus klassisch yogischer Sicht fragmentiert.
Die westlich-psychologische Terminologie zum Kundalini-Prozess ist m. E. diffizil, wenn von „Kundalini-Psychose“ gesprochen wird.
Energiephänomene, veränderte Bewusstseinszustände, Trancephänomene und/oder erhöhter Pranafluss gehören nicht per se zu einem Symptomkomplex, der immer und ausschließlich mit Kundalini zu tun hat.
Es tritt z. B. das Trancephänomen gehäuft im Voodoo auf, doch dies ist grundsätzlich von einem Kundalini-Erwachen zu unterscheiden. Energiephänomene können auch mit dem Alltagsbewusstsein erfahrbar sein, ohne dass transzendentale Ebenen berührt werden. Paranormale Fähigkeiten finden sich wiederum in den magischen Traditionen, ohne dass Kundalini diese stets hervorbringt, sowie die medialen Fähigkeiten von Menschen wiederum nicht immer auf Kundalini zurückzuführen sind.
Es ist also das Kundalini Syndrom ein Terminus technicus, der das Kundalini-Phänomen aus westlich-psychologischer Sicht zu fassen sucht, dabei jedoch m. E. das Mysterium an sich nicht zu beschreiben vermag. Dies schaffen die Yogaphilosophien.
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Hallo Tanja,
gibt es in deinen Beiträgen etwas über Kundalini im Zusammenhang mit dem Ende der Reinkarnation auf der Erde? Du hast in Bezug auf Kundalini sehr viele Meister zitiert. Haben welche von denen darüber berichtet, was das Ziel des Kundalini-Prozesses ist?
viele Grüße
von Silke
Hallo Silke,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Wer ein Kundalini-Erwachen erlebt, ist damit ein gutes Stück weiter auf dem spirituellen Weg, aber damit nicht „automatisch“ aus dem Inkarnationskreislauf befreit. Er kann zwar über Kundalini „Samadhi“ oder „Nirivkalpa Samadhi“ erfahren, er muss es nicht durch Kundalini erfahren.
Lieber Gruß,
Tanja
Hallo Tanja,
Vielen Dank für deine Antwort. Mittlerweile habe ich die entsprechenden Beiträge zu meiner Frage gefunden, vielen dank für deine umfassende Arbeit.
Bei mir ist die Kundalini schon viele Jahre aktiv. Astralreisen unternehme ich schon seit der Kindheit. Die unangenehmste Zeit war für mich, als sie die Chakren durchstieß, insbesondere diese drei Knoten. Auch als sie ins Gehirn eindrang, wurde mir bewusstseinsmäßig der Stecker gezogen, es waren so gut wie keine Gedanken mehr möglich. Danach wurde es jedoch frisch und angenehm kühl. Nachdem sie den Herzbereich durchstoßen hatte, wurde die Kundalini für einige Jahre ruhiger. Jedoch seit 2019 steigt die Kundalini vorn nach oben hoch und dann wird der Atem flach und weniger und der Herzschlag wird zu einer Linie und löst sich gefühlt auf.
Manchmal sehe ich im Kopf vor mir Lichterscheinungen, die ich beobachte, während der Körper gleichzeitig schläft. Zuletzt habe ich ein Tuch vor die Augen gebunden; ich sah einen schwarzen Punkt (Kugel) zwischen den Lichtern ( tiefes blau mit gold) und sprang hinein. Es bildete sich ein Wurmloch, dass ich durchflog. Als ich hindurch war, schwappte von unten die Kundalini den Rücken hinauf in den Kopf und gefühlt über dem Kopf und dann sah ich vor mir zwei sich drehende silberne Spiralen, aber eckig so wie beim goldenen Schnitt. Es flogen auch einige farbige Punkte umher und ein grünes Viereck flog von vorn auf mich zu, das alles mit einem nun schwarzen Hintergrund. Dabei hörte ich starkes Dröhnen und Vibrieren im Gehirn. Gleichzeitig konnte ich mein Zimmer sehen, weil ich durch das Tuch hindurch schauen konnte und ich nahm zudem noch eine Parallelwelt wahr. Während solcher Wahrnehmungen fühle ich mich um ein Vielfaches wacher als im alltäglichen Wachzustand. Das mit dem Wachsein während des Schlafens hat nach der ruhigeren Kundaliniphase zugenommen.
viele Grüße
von Silke