Die Erleuchtungserfahrung als solche wurde in Artikel 1 dieser Serie schon kurz umrissen. Wie beschrieben kam Siddharta Gautama lt. Überlieferung im 5. Jh. zur Erleuchtung und erkannte daher die Welt u. a. als Abfolge von Traumbildern, er erkannte sich in allem was existiert und existierte, sowie den Kreislauf der Wiedergeburten …
Was hier eher nüchtern dargestellt ist, lässt sich natürlich rational fassen und nachvollziehen, doch ist die Erleuchtungserfahrung nicht nur wie ein „Kopf-aus-dem-Wasser-heben-und-sich-umsehen“, sondern ebenso emotional. Sie ist prosaisch, lyrisch, ein „lyrisches Ich“ zwischen den Zeilen einer (hermetischen) Poesie, denn sie umfasst alles, was einen Menschen denken und fühlen lässt. So ist die Barriere von Erlebnis, Erlebtem und Erleber vollständig aufgehoben, der Geist wird als Raum-Offenheit erfahren und verstanden, und innerhalb dieser Erfahrung macht sich ein Gefühl der Geborgenheit, des Friedens, der Schönheit und der Freude breit, da die Dualität nicht mehr existiert.
Diese Erfahrung ist in der Regel intensiv und „wahr“. Jedoch, so wundervoll sie ist, ist sie nicht dauerhaft. Sie kann Minuten oder Stunden dauern, sie kann tagelang nachklingen, doch sie ist trotzdem nur ein „Gipfelerlebnis“. Natürlich kann sie wiederholt werden, zufällig noch einmal passieren oder bewusst angestrebt werden, doch auch die nächste Erfahrung wird in der Regel nicht dauerhaft sein.
Der Zustand danach
So ist der Zustand danach oft mit Wehmut behaftet. Man hatte „es“ und „es“ hatte einen. Es war da. Es wirkte befreiend, erweiternd, wie ein Segeltörn auf den Wellen des Seins, das einen nicht mehr tangierte … Es war ein Fließen, ein Gleiten und Erkennen, es war wunderbar, und nun ist man wieder im Alltag, steht z. B. im Supermarkt vor der Kassa in der Schlange …
Es ist daher m. E. jeder kritisch zu hinterfragen, der sich in einer Weise als erleuchtet deklariert, als wäre der Zustand statisch, dauerhaft und mit (viel) Weisheit konnotiert. Erleuchtung geschieht aus einem anderen Bewusstseinszustand heraus, doch Weisheit ist eine Eigenschaft, die vorrangig durch Verstehen der Menschen, der Natur, dem Lebensprinzip entsteht. Natürlich kann/darf/sollte jeder, der ein Erleuchtungserlebnis hatte, darüber schreiben, es erzählen und publik machen, doch falls sich jemand als 24/7-Erleuchteter darstellt, so ist dahinter eher Marketing zu vermuten. Erleuchtung ist ein singuläres Erlebnis. Sie entführt einen nur kurz aus dem Leben, aus diesem Alltag, ansonsten ist man immer noch dieselbe Person. Erleuchtung transformiert das Bewusstsein und führt mitunter zu einem Sinneswandel, doch sowie sich jemand nur aufgrund dieses Erlebnisses für besser oder wertvoller hält, könnte der Weg zur Erlösung – und darum geht es im nächsten Absatz – nicht verbauter sein.
Erleuchtung als Bestandteil der Erlösung
Wie dargestellt braucht es für eine Erleuchtungserfahrung lt. Definition keine besondere Voraussetzung, noch einen besonders ethischen Lebensstil, auch wenn es begünstigende Faktoren gibt. Fasst man den Begriff jedoch weiter, so ist für die „Erlösung“ durch Erleuchtung natürlich ein ethischer Lebensstil unabdingbar. Erlösung bedeutet nun nichts anderes, als aus dem Rad der Wiedergeburt auszusteigen. Wir hören/lesen das mitunter häufig nehmen es zur Kenntnis und vergessen es meist wieder schnell.
Daher muss/möchte ich nun umso deutlicher sein: Achtung! Wir können öfter wiedergeboren werden, als der Rasen auf dem Sportplatz Halme zählt, wenn wir uns nicht um „Erlösung“ bemühen. Und das Rad, in dem das geschieht, ist nicht nur ein buntes, buddhistisches Bild, „Samsara“, das sich mancher (wichtigtuerisch) über die Wohnzimmercouch hängt, nein, es ist ein sehr ausgeklügeltes System, dem keiner so schnell entkommt, der zu diesem Spiel einmal Ja gesagt hat. Wer sich also nicht um seine Befreiung kümmert, wird unzählige Male auf dieser Erde „ausgesetzt“ werden wie ein Haustier, das sich von jetzt an alleine durchschlagen muss. Das bedeutet, tausendmal und öfter wieder geboren zu werden, tausend mal und öfter aufzuwachsen, krank zu werden und zu sterben, und zwar jedes Mal mit all dem Vergessen, der Amnesie, dem Leiden und dem Irren. Das kann, je nach Karma, Krankheit, Krieg, Elend, Armut oder nur Schrebergarten mit Gartenzwerg bedeuten, sowie es weiters auch einmal Glamour, Schönheit und Freude bedeuten kann. Doch wie auch immer es aussieht, ein jeder ist „inhaftiert“. Und darum geht es. Wer nicht weiß, dass er ein „Häftling“ ist, der immer wieder „einsitzt“, und zwar – je nach Karma – in Dunkelhaft, Einzelhaft, mit Fußfesseln oder unter gelockerten Haftbedingungen, wird die Kraft zur Befreiung vermutlich nicht aufbringen. So ist die Erleuchtungserfahrung zunächst mit „Erkennen“ und „Erwachen“ konnotiert. Wer aber „erwacht“ und etwas „erkennt“, ist noch lange nicht befreit. Was folgen muss, ist die unbedingte ethische Ausrichtung sowie ein umfängliches Verstehen der astralen und spirituellen Dimensionen … .
So gibt es mehrere Stufen zur Erlösung, in welcher die Erleuchtung zentraler, jedoch wiederum nur temporärer und singulärer Bestandteil ist. Nicht weniger wichtig ist theoretisches Wissen, das heißt Studium der spirituellen Schriften, damit sich zunächst eine Ahnung davon ausformt, wie groß, wie überdimensional und umfänglich das Absolute (Gott) im Wechselspiel mit dem Relativen (Menschsein) wirklich ist und was es für jeden einzelnen bedeutet. Spirituelles Schrifttum zu studieren heißt nicht, fromm oder religiös zu werden, noch sich auf ewig mit etwas befassen zu müssen, was im weltlichen Sinne ungesichertes Wissen ist – sonach als Studiumsobjekt wenig Sinn macht. Im Gegenteil. Weltwissen mag wichtig sein: Wie werden Brötchen gebacken? Wie wird ein Auto repariert? Wie funktioniert Photosynthese? Aber all dieses Wissen beschränkt sich i. d. R. auf die jeweilige Inkarnation und wird nicht in die nächste Reinkarnation mitgenommen.
Transzendentales Wissen, das fest in der Seele (als Wahrheit) verankert ist, geht jedoch nicht verloren.
Zur Erlösung führt daher nicht nur ein Weg, sondern mehrere Wege, die sich bedingen und die zu beschreiben Bände füllen würden, jedoch möchte ich die vier wichtigsten Aspekte hierzu nennen: Ethischer Lebensstil, spirituelle Praxis, Aneignung von spirituellem Wissen, die Erleuchtungserfahrung als solche.
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Günther Lehmann: Die Erleuchtung: Die Unio Mystica in Philosophie und Geschichte
Jack Kornfeld: Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffeln schälen
David Hawkings: Erleuchtung ist möglich: Wie man die Ebenen des Bewusstseins durchschreitet
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Liebe Tanja
wie ich verstehe siedelst du dein Erlösungszeremonial in einer übersinnlichen Parallel- oder Astralwelt an. Man kann sich relevante Gedanken dazu machen und sich in Spiritualität üben, aber was soll ich mir Sorgen machen um eine so ferne „Welt“zu errreichen! Was verspricht es mir dort? und wieso sind diese unterschiedlichen Transformationsebenen in auf- und absteigenden Strukturen geordnet?
Lieber Stedi,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Leider kann ich dich nicht vollends nachvollziehen, da ich ja von der Erleuchtungserfahrung und einem ethischen Lebensstil sprach, der zur Erlösung führt, weswegen die Antwort, was dir „die ferne“ Welt „verspräche“ schon gegeben ist.
Liebe Grüße,
Tanja
Wie kann man gleichzeitig erleuchtet sein und an das Urheberrecht glauben?
Eigentum
Diese Assoziation ist ebenfalls reine Software. Der Begriff bedeutet: „Schau her, diese von mir abgeteilt vom Rest gedachte Menge Substanz soll meinem Willen unterliegen. Will ein Anderer sie formen, so werde ich gegen ihn kämpfen.“ Der Eigentumsbegriff ist ein Mittel, das im Konkurrenzkampf der Formen auf der Ebene der Software eingesetzt wird. Der Begriff ist ein Begriff des Kampfes.
Ja, alle Heiden will ich erschüttern. Da sollen dann kommen aller Völker Kostbarkeiten, und ich will dies Haus voll Herrlichkeit machen, spricht der Herr Zebaoth. Denn mein ist das Silber und mein ist das Gold, spricht der Herr Zebaoth. [Haggai 2]
„Geistiges Eigentum“ bedeutet, dass eine Verhaltensweise gefunden worden ist, von der geglaubt wird, dass ihre Wiederholung in Zukunft zur Erlangung der eigenen Ziele immer wieder dienlich sein kann. Einer anderen Form, die zur Erlangung ähnlicher Ziele die Verhaltensweise kopieren könnte, wird durch den Begriff signalisiert, dass sie bekämpft werden wird, sollte sie die Verhaltensweise tatsächlich selbst anwenden. Die andere Form wird sogar dann bekämpft, wenn sie unabhängig von der einen Form auf dieselbe Idee gekommen ist. Damit ist klar, dass nicht der Kopiervorgang bekämpft werden soll, sondern dass es vielmehr im Kern darum geht, der eigenen Form einen Vorteil zu verschaffen und dies auf Kosten der anderen, denen zu diesem Zweck gleich erfolgreiches Verhalten – kopiert oder nicht kopiert – verboten sein soll.
Lieber Harald,
geistiges Eigentum ist eine Diktion: „Als geistiges Eigentum wird im Unterschied zum Eigentum an körperlichen Gegenständen (Sachen im Sinne des § 90 BGB) ein ausschließliches Recht an einem immateriellen Gut, etwa einem Kunstwerk oder einer technischen Erfindung, bezeichnet.“
Ich verstehe daher deinen Einwand nicht, noch den Zusammenhang, was geistiges Eigentum mit „Erleuchtung“ zu hat. Es handelt sich hier um zwei völlig getrennte Bereiche, nämlich das Rechtswesen und Spiritualtität. Es würde ja auch ein Anwalt nicht die „Fachsprache“ – die es gar nicht gibt – der Spiritualitätt verwenden, und vor Gericht von „Erleuchtung“ sprechen.
Liebe Grüße,
Tanja
Liebe Tanja
eine Runde um Tanja`s Blog und ich bin um drei Erhellungen und einer Erkenntnis reicher geworden.
Mein bescheiden alltägliches Bemühen an meinem Vorhaben scheiterte bisher nur zu gerne und dies lediglich an einem kleinen Detail, dass aus dem bisherigen Leben stammte und gute Dienste leistete und immer noch tut. Aber diese Ungeduld erlernt man im Umgang mit Tieren, da sie um Welten eifriger im Erlernen und Umsetzen von Neuem sind als Menschen und mir die Ordnung erschwerte beim Vorhaben. Da hilfreich, hier hinderlich wie es so sein kann. Die Erkenntnis bringt mir nach der anfänglichen Süsse im Gegensatz zur Erhellung mit seinem „Aha Erlebnis“ Wissen um die Weitergestaltung wie ein Öffnen eines Weges um voranzukommen auf dem Vorhaben mit gleichzeitiger Wandlung der Erkenntnis dann zu einer Erfahrung, (zumindest hoffe ich das schwer) was deinem im Artikel beschriebenem Weg entspricht -in etwa.
Besonders die Interviews mit Lee Sannella und Jiddu Krishnamurti gab guten Stoff um zu Verstehen wie Kundalini angewandt werden kann und hier, wiederum angelangt beim nochmaligen lesen deines Artikels feststellen kann, dass sich meine Fragen vom 25. Juni beantwortet haben.
Liebe Grüsse -Stedi
Lieber Martin,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. 🙂
So schließt sich der Kreis – möchte ich sagen. Wirkt sehr rund, was du schreibst.
Ich danke für das Feedback und deine Lesertreue.
Mit lieben Grüßen,
Tanja
Was ich an der Wiedergeburtsidee nicht verstehe: Ich finde mein Leben schön und freue mich wiedergeboren zu werden. Die Vorstellung im Nirvana aufgelöst zu werden hingegen gruselt mich. Wieso also liebe Tanja sollte ich das anstreben?
Hallo Uwe!
Danke für deinen Kommentar. 🙂
Zunächst ist es ja völlig in Ordnung, dass du dein Leben magst und genießt. Es ist ja nicht jeder – per Reinkarnation – dazu verdonnert, ein leidvoll-tragisches Leben zu führen.
Das Nirwana – im tibetischen Buddhismus – ist das höchste anzustrebende Ziel der „Seele“. Bevor du – oder irgendwer – dorthin kommt, gibt es aber (lt. Jenseitsliteratur) viele andere Ebenen, in welchen Freude (meinetwegen auch „Party“ oder „Fun“) eine große Rolle spielen. Doch solltest du – oder irgendwer – den Wunsch haben, ins Nirwana zu gelangen, ist es dir tief in die Seele/ins Herz geschrieben, weswegen es für denjenigen, der das anstrebt, Sinn macht, auch wenn es vom irdischen Standpunkt aus betrachtet eher „fad“ und „nichtssagend“ erscheinen mag. Nirwana. Das Nichts. Ja, klingt nicht gerade spaßig …
Um deine Frage zu beantworten: Du solltest es also auch gar nicht anstreben, wenn es dich gruselt, denn das alleine bewirkt, dass du da vermutlich nicht schnell, gar nicht oder nie hinkommen wirst … 🙂 Jeder Mensch ist anhand seiner Seelennautik geführt und zwar „im Himmel sowie auf Erden“. Und wenn du für das Nirwana mehr Verlockung brauchst, dann gibt es auch dafür eine Lösung: Du musst dich nur mit dem tibetischen Buddhismus befassen. Dort wird das Nirwana ja u. a. als das „höchste Glück“ beschrieben.
Mit lieben Grüßen,
Tanja
Ich bewundere Deine Hingabe!
Einfach nur Danke!! ❤️
Liebe Rita,
vielen Dank für dein herzliches Feedback! 🙂
Mit lieben Grüßen zurück,
Tanja